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Empfehlungen für Erhalt und effektive Förderung

Finanzierung von Streuobstwiesen und Obstalleen

Anmerkungen zu unseren Vorschlägen: Dies sind Vorschläge zur Gestaltung der Streuobst-Förderung. Diese wurden von BaumLand auf Grundlage einer Analyse der Förderprogramme und Eingriffsregelungen in den verschiedenen Bundesländern entwickelt. Sie wurden und werden von uns im Dialog mit unterschiedlichen Akteuren weiterentwickelt. Ziel dieser Empfehlungen ist es, einen strukturierten und umfassenden Überblick zu vermitteln. Auf Basis dieser Perspektive können für jedes Bundesland konkretere und prioritäre Handlungsbedarfe abgeleitet werden.

 

 

 

1. Grundsätzliches

In diesem ersten Kapitel stellen wir Aspekte vor, die sowohl für die Gestaltung von Förderprogrammen als auch für Vorgaben bei Kompensationsmaßnahmen wichtig sind.

Streuobst ist je nach Bundesland verschieden definiert und auch in den Zuwendungsbedingungen finden sich verschiedene Anforderungen. Wir empfehlen die folgende Definition:

 

  • Die Stammhöhe der Obstbäume muss bei Altbeständen ganz überwiegend mindestens 1,60 m betragen (gemessen vom Stammfuß bis zur ersten Verzweigung) und das Erscheinungsbild muss überwiegend von einer starkwüchsigen Unterlage und Großkronigkeit geprägt sein. Bei neu angelegten Beständen und Nachpflanzungen in Altbeständen sind stark wachsende Unterlagen zu verwenden und die Stammhöhe muss ganz überwiegend mind. 1,80 m (besser 2,0 m) betragen.
  • Auf Streuobstwiesen sollte die Dichte der Bäume min. 30 und max. 100 Bäume/ha betragen (bei Nachpflanzungen sind entsprechende Abstände anzustreben). Bedingung ist weiterhin, dass die Bestandsgröße mindestens 0,15 ha und 9 Bäume umfasst.
  • Obstalleen und -baumreihen sollten mindestens 5 Bäume umfassen, mindestens 50 m lang sein und auf einem mindestens 3 m breiten Wegrain gepflanzt sein, wenn entsprechend schmalkronige Sorten verwendet wurden1. Bei schon bestehenden Obstalleen und -baumreihen sind Abweichungen von der Breite des Wegraines zulässig2.

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1: Eine entsprechende Liste kann man bei der BaumLand-Kampagne auf Nachfrage gerne bekommen.

2: Für Mindestanzahl der Bäume und Mindestlänge vgl. die Vorgaben für Alleen in Sachsen.

Unser Vorschlag: In allen Bundesländern sollten umfassende Handlungskonzepte für Streuobst verbindliche Standards festlegen, die für alle Förder- und Kompensationsmaßnahmen gelten.

 

Hintergrund: Ein (rechtlich) verbindlicher Rahmenplan für Streuobst, wie er in Thüringen existiert, kann fachliche Standards zusammenfassen und somit als wichtige Orientierung für Kommunen und andere Umsetzende dienen. Ein gewinnbringendes Handlungskonzept sollte mindestens folgende Punkte abdecken:

 

  • Zusammenfassung des rechtlichen Status von Streuobst-Beständen und der historischen und aktuellen Situation im Land
  • Strategie zur Erhaltung der Streuobst-Bestände mit konkreten, zeitlich terminierten Zielsetzungen sowie kurz-, mittel- und langfristigen Handlungsschritten (dabei soll im Zentrum stehen, Streuobst als wirtschaftlich tragfähige, naturschutzkonforme Form des Obstanbaus zu etablieren)
  • Klare fachliche Anweisung für die Pflanzung, Pflege und Sanierung hochstämmiger Obstbäume sowie für die Unternutzung
  • Klare Definition der Mindestqualifikation der Mitarbeiter:innen in den Fachfirmen, die mit der Obstbaumpflege beauftragt werden sowie klare Regelungen zur Kontrolle dieser Vorschrift (vgl. Kapitel 2 dieser Empfehlungen).
  • Strategien zur Erhaltung von Streuobst im Klimawandel (s. 5.1)
  • Strategien und Instrumente zur Finanzierung der Erhaltung und Weiterentwicklung der Streuobst-Bestände (Übersicht über die aktuellen Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten im jeweiligen Bundesland)

2. Fachliche Standards und Kontrollen

Um eine fachgerechte Umsetzung von Maßnahmen zu gewährleisten, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, sind einerseits klare Vorgaben zu notwendigen Qualifikationen der durchführenden Personen sinnvoll, andererseits sollten geförderte Maßnahmen standardmäßig von fachkundigen Personen kontrolliert werden.

Unser Vorschlag: In allen Förderprogrammen, Kompensationsmaßnahmen und Ausschreibungen sollten fachliche Anforderungen an die Pflanzware und fachliche Empfehlungen zur Planung, Pflanzung und Pflege enthalten sein.

 

Fachliche Standards geben den Bewilligungs- und Prüfstellen und den Förder-/Auftragsnehmer:innen einen Orientierungsrahmen, um die Qualität der Umsetzung der Maßnahmen zu sichern. Für Kompensationsmaßnahmen im Bereich Streuobst könnten diese Standards in Form einer Handreichung für Kompensationsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden; diese könnte dann auch die weiteren Voraussetzungen beschreiben, die jede Kompensationsmaßnahme mit Streuobst erfüllen muss, wie die Zulassung der wirtschaftlichen Nutzung, die Sicherstellung der Pflege während des gesamten Verpflichtungszeitraums usw.

Unser Vorschlag: Sowohl für geförderte Maßnahmen als auch für Ausschreibungen und Kompensationsmaßnahmen sollten Mindestqualifikationen der Planer:innen und Obstbaumpfleger:innen festgeschrieben werden.

 

Weder in der landwirtschaftlichen noch in der gärtnerischen Ausbildung wird der Pflanzung und Pflege von hochstämmigen Obstbäumen genügend Zeit eingeräumt, um eine ausreichende Qualität der mit öffentlichen Geldern oder im Rahmen von Kompensation finanzierten Maßnahmen zu gewährleisten. Die fachgerechte Anlage und Pflege von Streuobstwiesen und Obstalleen ist vielmehr durch spezifische Obstbaumpflege-Fortbildungen erlernbar. Diese sollten nachgewiesen werden, da es sonst häufig zu baumschädigenden Pflegemaßnahmen kommt.

Unser Vorschlag: Um eine fachgerechte Durchführung der Förder- und Finanzierungsprogramme sicherzustellen, sind Kontrollen durch fachkundige Personen in einem größeren Umfang als bisher nötig.

 

Erfahrungen zeigen, dass in Anspruch genommene Schnittförderungen sich nicht immer in Schnittmaßnahmen auf der Fläche wiederfinden oder dass der Schnitt nicht fachgerecht ausgeführt wurde. Auch bei Kompensationsmaßnahmen werden die Bäume oft nicht fachgerecht gepflegt. Eine Kontrolle sollte durch geschultes Fachpersonal muss daher sowohl im Kontext von Förderprogrammen als auch bei Kompensationsmaßnahmen standardmäßig durchgeführt werden.

Unser Vorschlag: Die Mitarbeiter:innen von Naturschutz- und Kontrollbehörden, die im Themenfeld Streuobst arbeiten, sollten zu zentralen Aspekten fachlich geschult werden.

 

Mitarbeiter:innen der Naturschutzbehörden und Kontrollbehörden spielen eine wichtige Rolle in Genehmigungs- und Kontrollverfahren. Zu diesem Zweck ist es dringend erforderlich, die Mitarbeiter:innen weiterzubilden, insbesondere wenn diese in der Beurteilung und Genehmigung von Ausnahmen für langjährig aktive Personen Ausnahmen bei dem Qualifikationsnachweis involviert sind. Wir empfehlen eine Tagesschulung von mindestens acht Stunden. Inhalte der Weiterbildung sollten die Planung (inkl. Bodenbeschaffenheit), Anlage und Pflege von Streuobstbeständen und Alleen sein. Thüringen hat seinen Mitarbeiter:innen das bereits ermöglicht.

3. Gestaltung von Förderprogrammen

Unser Vorschlag: Förderprogramme für die Neuanlage oder Nachpflanzung von Streuobstwiesen oder Obstalleen sollten eine angemessene Finanzierung für die 5-jährige Etablierungspflege und den 15-jährigen Erziehungsschnitt enthalten. Diese Förderung sollte auch für die Pflanzung von hochstämmigen Kern- oder Steinobstbäumen in Systemen, welche nach § 4 GAPDZV als Agroforstsysteme angelegt werden, gelten.

 

Hochstamm-Obstbäume benötigen für ihre Etablierung mind. 5 Jahre lang eine bewuchsfreie Baumscheibe, regelmäßige Bewässerung, ggf. eine Kompostgabe sowie in den ersten rund 15 Jahren einen jährlichen Erziehungsschnitt, um ein tragfähiges Kronengerüst zu entwickeln. Findet diese Entwicklungspflege nicht statt, bekommen die Bäume statische Probleme mit daraus resultierenden Astbrüchen und sterben früher ab.

 

Im besten Fall sollte die Förderung für Neupflanzungen eine Finanzierung des Erziehungsschnittes bis zum 15. Standjahr vorsehen. Wenn dies nicht möglich ist, sollten mit der Pflanzung die Kosten für Entwicklungspflege und -schnitt mindestens für die Laufzeit einer durchschnittlichen Förderperiode von 5 Jahren finanziert werden. Um die Vitalität der Obstbäume sicherzustellen, ist der Übergang in eine anschließende fortlaufende Förderung für den Obstbaumschnitt unabdingbar und sollte daher mit einem möglichst geringen bürokratischen Aufwand möglich sein.

 

Förderkulissen, welche nur die reinen Pflanzkosten und die Anwuchspflege in den ersten drei Jahren fördern, sind als ineffektiv abzulehnen. Das belegen die zahlreichen Streuobstpflanzungen, welche (z. B. im Rahmen der Eingriffsregelung) in den letzten Jahrzehnten angelegt wurden und die durch ihre flächendeckende Vergreisung heute weder einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz, noch zum Naturschutz oder zu einer regionalen Nahrungsproduktion leisten.

Unser Vorschlag: Streuobstbestände brauchen ihr gesamtes Lebensalter lang regelmäßige Pflege in Form von Baumschnitt und Mahd, um ihre Funktionen nicht zu verlieren. Es braucht daher zusätzlich zu kurzfristig wirksamen Projektförderungen fortlaufende Förderprogramme für die Pflege.

 

Für den Erhalt der Obstgehölze auf Streuobstwiesen und in Alleen braucht es eine flächendeckende Baumschnitt-Förderung. Auf landwirtschaftlichen Flächen muss diese zusätzlich zur bereits existierenden Grünland-Förderung möglich sein. Auch nach Abschluss des 15-jährigen Erziehungsschnittes muss alle drei bis sieben Jahre ein Erhaltungsschnitt erfolgen, damit die Obstbäume ihre Stabilität und Vitalität nicht verlieren. Die gewerbliche Nutzung des Obstes kann die Kosten des Baumschnittes in der heutigen Marktsituation nicht ohne weiteres wirtschaftlich tragfähig refinanzieren.

Die Schnittförderung sollte die tatsächlichen Kosten widerspiegeln und neben einer Staffelung nach Baumalter differenzieren, ob es sich um eine Auftragsvergabe handelt bzw. ob die/der Auftraggeber:in einen Qualifikationsnachweis besitzt. Die Förderung sollte für Landwirt:innen ebenso gelten wie für Vereine, Gemeinden und Privatpersonen. Da diese nicht in den fünfjährigen landwirtschaftlichen Förderzyklus fallen, sollte hier eine jährliche Beantragung der Förderung möglich sein. Diese Schnittförderungen sollten mit Pflanzförderungen von Stiftungen u. ä. kompatibel sein.

 

Es ist wichtig, für Sanierung (vgl. Punkt 2.3) und fortlaufende Pflege spezifische Förderprogramme zu etablieren: Die für eine Pflegeförderung ausreichenden Beträge wären zu niedrig, um ungepflegte Bestände zu revitalisieren.

Unser Vorschlag: Sanierungsschnitt, Entbuschungsmaßnahmen, Nachpflanzungen und kurzfristige Instandsetzungspflege (Wässern, Düngen) ungepflegter Streuobstbestände sollten als eigener Fördergegenstand in Streuobst-Förderkulissen enthalten sein.

 

Viele Streuobstbestände gehen im nächsten Jahrzehnt aufgrund des massiven Pflegerückstandes der Obstbäume für Natur- und Klimaschutz sowie Landwirtschaft verloren, wenn nicht zeitnah eingegriffen wird. Das betrifft sowohl Bestände mit Altbäumen, die aus der Nutzung und Pflege genommen wurden und dadurch Vitalität und Stabilität verloren haben, als auch Neupflanzungen, z. B. im Rahmen der Eingriffsregelung, welche keinen ausreichenden Erziehungsschnitt erhalten haben. Bei den älteren Bäumen mit Pflegerückstand reicht oft ein einmaliger Sanierungsschnitt aus (ggf. verteilt über zwei Jahre), um dann wieder alle etwa fünf bis sieben Jahre einen Pflegeschnitt vorzunehmen: Hier unterscheidet sich die Maßnahme von der Pflege anderer Altbäume also darin, dass der erste Schnitt zeitaufwändiger ist als ein üblicher Pflegeschnitt. Bei jüngeren ungepflegten Bäumen, bei denen nach der Pflanzung keine langfristig tragfähige Krone aufgebaut wurde, braucht es eine Kronenumstellung. Dazu benötigen sie über mehrere Jahre einen jährlichen Schnitt; dieser ist allerdings aufwändiger als der reguläre Erziehungsschnitt bei einem Jungbaum. Nachpflanzungen sind ein wesentlicher Schlüssel zum langfristigen Erhalt der Bestände und sollten daher integraler Bestandteil von Sanierungsprogrammen sein.

 

Durch Sanierungsprogramme können Flächenbewirtschafter:innen unterstützt werden, die Streuobstwiesen langfristig wieder in Pflege und Nutzung zu bringen.

Unser Vorschlag: Wiesen unter Streuobstbäumen gehören wegen der aufwändigen und extensiven Bewirtschaftung zu den artenreichsten Grünlandbeständen. Der Mehraufwand, den Bewirtschafter:innen bei der Wiesenmahd in Streuobstbeständen haben, sollte wegen der erbrachten Ökosystemdienstleistungen finanziell honoriert werden.

 

Es ist aufwändiger, eine von Bäumen bestandene Fläche zu bewirtschaften als die gleiche Fläche ohne Bäume zu nutzen. Zudem wird die Unternutzung häufig von anderen Personen/Betrieben gewährleistet als die Pflege und Nutzung der Bäume. Um der erschwerten Bewirtschaftung von Streuobstwiesen Rechnung zu tragen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Leistungen zu honorieren, ist es sinnvoll und angemessen, eine jährliche Prämie pro Baum einzuführen (zusätzlich zur Förderung für den Baumschnitt). Als Beispiel kann hier das bayerische KULAP-Programm mit 12 Euro/Baum dienen.

 

Der Erschwernisausgleich sollte mit anderen Grünlandmaßnahmen kombinierbar sein, insbesondere wenn diese den Artenreichtum fördern. Zum Beispiel ist in Baden-Württemberg die Prämie für die erschwerte Unternutzung unter Streuobstbäumen (FAKT II C1) mit der Bewirtschaftung von artenreichem Grünland (FAKT II B) möglich.

Unser Vorschlag: Ebenso wie die Obsterzeugung auf Plantagen sollte hochstämmiger Streuobstbau als Erwerbsobstbau anerkannt werden und für ökologisch-wirtschaftende Betriebe als „ökologische Dauerkultur Obst“ gefördert werden. Als Nachweis sollte die wirtschaftliche Bedeutung des Obstes gelten.

 

Obstanbau auf Streuobstwiesen ist ein besonders ökologisches Anbauverfahren – hier wird durch die Langlebigkeit der Bäume, den Erhalt des Unterwuchses und den Verzicht auf Spritzmittel in hohem Maße Biodiversität gefördert und Klimaschutz betrieben. Er ist gleichzeitig verbunden mit aufwendigeren Pflege- und Ernteverfahren und einem größeren Risiko von Ernteausfällen. Die wirtschaftliche Erzeugung von Tafelobst oder anderen Weiterverarbeitungsprodukten auf Streuobstwiesen sollte daher genauso wie in anderen Anbausysteme für ökologisch wirtschaftende Betriebe als „ökologische Dauerkultur Obst“ förderfähig sein.

 

Der erwerbsmäßige Obstbau sollte nicht, wie in vielen Bundesländern üblich, an einer Mindestbaumanzahl festgemacht werden, sondern an einem Nachweis der wirtschaftlichen Nutzung. Wenn eine Mindest-Bestandsdichte angestrebt ist, so sollte diese wesentlich niedriger sein. In Niedersachsen und Hessen beträgt die Mindestdichte für Dauerkultur Obst beispielsweise 100 Bäume/ha. Es ist zu prüfen, inwiefern wirtschaftlich genutzte Streuobstbestände als Ausnahme als Dauerkultur klassifiziert werden und ob eine Kombination mit Förderungen möglich ist.

4. Gestaltung von Kompensationsmaßnahmen

Unser Vorschlag: Der Wert und die notwendige Pflege der Obstbäume muss sich in allen Verfahrensschritten widerspiegeln. So wird sichergestellt, dass Kompensationsmaßnahmen mit Streuobst nur dann geplant und genehmigt werden, wenn deren Umsetzung auch Erfolgsaussichten hat.

 

Eine Streuobstwiese wird nur dann ihren naturschutzfachlichen Wert ausprägen, wenn die Bäume so gepflanzt und gepflegt werden, dass sie auch ihr Höchstalter erreichen können. Leider stellen die bisherigen Verfahren das nicht sicher. Das fördert eine Praxis von „pflanzen und vergessen“, in vielen Fällen mit überteuerter und untauglicher Pflanzware (14 cm Stammumfang oder größer, 3xv, Topfware) und nur 3-5 Jahre Baumpflege. Die Obstbäume können sich so nur selten an ihrem Standort etablieren und sterben frühzeitig ab. Damit wird de facto kein zusätzlicher naturschutzfachlicher Wert gegenüber einer reinen Grünlandmaßnahme geschaffen und Geld verschwendet. Deshalb gilt es, die Verfahren so nachzuschärfen, dass Anreize zur fachgerechten Baumpflanzung und -pflege gesetzt werden. Das betrifft:

 

  • Bestimmungen in Ausschreibungen, Pflegeverträgen oder Dienstbarkeiten/Lasten bzw. den darin angelegten fachlichen Standards (s. 2.1)
  • Fachliche Qualifikation des ausführenden Personals (s. 2.2)
  • Kontrollen durch fachkundige Personen (s. 2.3)
  • Hinreichend fachliche Qualifikation von Planer:innen und
  • Behördenmitarbeiter:innen (s. 2.4)
  • Finanzierung der fachgerechten Pflege (s. 4.3)
  • Biotopwertverfahren bzw. Ökopunktebilanzen (s. 4.4)

Unser Vorschlag: Die meisten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen werden entweder mangelhaft oder überhaupt nicht umgesetzt. Für infolgedessen angelegte und verkümmerte Streuobstwiesen braucht es eine einheitliche Klärung, wie das Kompensationsziel erreicht werden soll.

 

Fallstudien zeigen, dass lediglich zwischen ca. 25 und 50 % der rechtspflichtig umzusetzenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen überhaupt umgesetzt werden und nur ca. 25 % gut oder sehr gut umgesetzt werden1,2. Es ist anzunehmen, dass eine systematische Erfolgsbewertung von Maßnahmen mit Streuobst noch mangelhafter ausfallen würden, aufgrund der anspruchsvollen Planung und Pflege3.

 

Die im Zuge dessen angelegten Streuobstbestände der letzten Jahrzehnte sind trotz großer Pflegerückstände eine wichtige Baumgeneration zum Erhalt der Bestände. Deshalb sollten die zuständigen Behörden auf allen Ebenen den weiteren Umgang damit klären. Relevant ist vor allem die Frage, unter welchen Umständen es möglich und verhältnismäßig ist, Eingriffsversucher oder Maßnahmenumsetzer zum nachträglichen Aufholen des Pflegerückstands zu verpflichten. Im Mindesten sollten die Flächen für anderweitige Fördermöglichkeiten zugelassen werden (s. 4.7 & 4.8), um die Bäume in eine systematische Pflege zu überführen und damit langfristig das Kompensationsziel zu sichern.

 

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1: Ecker & Pröbstl-Haider, 2016: Erfolgskontrolle von Ausgleichsflächen im Rahmen der Bauleitplanung in Bayern. Naturschutz und Landschaftsplanung, 48 (5)
2: Rabenschlag et al., 2019: Evaluation der Umsetzung baurechtlicher Ausgleichsmaßnahmen. Naturschutz und Landschaftsplanung, 51 (09)
3: Angst (2024): Gelingt der Ausgleich? Evaluierung des Kompensationsmaßnahmentyps „Anlage von Streuobstwiesen“ in Mecklenburg-Vorpommern. Bachelorarbeit, Universität Greifswald.

Unser Vorschlag: Werden Streuobstwiesen als Kompensationsmaßnahmen angelegt, sollten die Kosten für eine fachgerechte Pflege über den gesamten Verpflichtungszeitraum ins Budget eingestellt werden. Nur durch eine fachgerechte Pflege entsteht am Ende tatsächlich der in der Maßnahme herzustellende Biotopwert.

 

Werden, wie bislang häufig der Fall, durch die Kompensationsgelder nur die Pflanzung und eine dreijährige Anwuchspflege finanziert, verwahrlosen die angelegten Streuobstwiesen – es sei denn, die beteiligten Akteure bringen zusätzliche Leistungen ein.

 

Um den naturschutzfachlich wertvollen Zielzustand einer Maßnahme tatsächlich zu erreichen, bedarf es neben der Pflanzung und Anwuchspflege auch einer weiterführenden Pflege, u.a. mit Erziehungs- und Erhaltungsschnitt, über den gesamten Verpflichtungszeitraum. Entsprechend sollten die zu erwartenden Kosten für Baumschnitt und Pflege über den gesamten Verpflichtungszeitraum durch die Kompensation finanziert werden, idealerweise inklusive Planungskosten.

 

Je nachdem, welche gesetzliche Regelung (naturschutzrechtlich, baurechtlich, gesetzlich geschützte Biotope) dem Verfahren zugrunde liegt, gibt es unterschiedliche Ansätze, um eine ausreichende Finanzierung durch den Eingriffsverursacher zu sichern:

 

  • unnötige Kosten bei Pflanzgut und Anwuchspflege vermeiden (s. 4.1), z.B. durch: möglichst junge Pflanzware (6/8 cm, 2xv, wurzelnackt) anstatt Solitärbäumen (14-18 cm, 3xv), Gießen nur während der Vegetationszeit, nur ein Pfahl als Anbindung
  • Kosten für die Kompensation bereits auf Eingriffsseite möglichst realistisch abbilden und in Erschließungskosten einstellen
  • Mehrwerte durch Gesamtkonzepte schaffen1: Zusammenlegung von Flächen in einem Gebiet (reduziert Anfahrt, Vor- und Nachbereitung bei Pflegemaßnahmen) und Kombination mit Mistelentfernung, Schnittgutverwertung und sonstigen Nutzungskonzepten
  • Maßnahmenbündel: Streuobst mit anderen Maßnahmen kombinieren, die weniger pflegeaufwändig sind und gleichzeitig viele Ökopunkte generieren (z.B. Umwandlung von Acker in Grünland, Steinhaufen, Hecke)
  • Anreize für Baumpflege bei der Bilanzierung von Ökopunkten/Biotopwerten schaffen (s. 4.4)
  • Wenn möglich, Zuschläge als Ersatzmaßnahme zur Aufwertung des Landschaftsbilds generieren (s. 4.5)

 

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1: Küpfer: „Ergebnisse des Life plus-Modellprojektes“. Seminar „Schutz, Anlage und Pflege von Streuobstwiesen“, Weimar-Holzdorf, 14. November 2017

Unser Vorschlag: Die Bilanzierung von Ökopunkten bzw. Biotopwerten sollte den tatsächlichen Wert der Fläche widerspiegeln. Dafür muss sie insbesondere bei Planungswerten Anreize für eine fachgerechte Baumpflege setzen. Bilanzmodelle in den Verordnungen und Handreichungen sollten dahingehend überarbeitet werden.

 

Der naturschutzfachliche Wert von Streuobstbeständen ergibt sich aus der Wertigkeit des Unterwuchses und der Wertigkeit des Baumbestandes. Demensprechend sollten Bilanzmodelle Unterwuchs und Baumbestand erstens gesondert und zweitens differenziert bewerten. Der Biotopwert des Unterwuchses wird in den meisten Modellen differenziert abgebildet. Im Gegensatz dazu wird der Biotopwert des Baumbestands meist nur grob differenziert (z.B. jünger oder älter als 25 Jahre). Damit werden über die Baumerziehung kaum Punkte erzielt, eine fachgerechte Pflege unattraktiv und in letzter Folge bildet sich der ökologischer Wert nicht aus.

 

Der Biotopwert des Baumbestands ergibt sich aus dem Baumalter. Neu gepflanzte Jungbäume bieten kaum einen höheren Naturschutzwert auf der Fläche. Dieser wächst mit der Baumgröße. Die Anzahl von Spechthöhlen steigt beispielsweise erst ab einem Stammdurchmesser von ca. 30 cm sprunghaft an1. Nur Bäume mit einem stabilen Kronengerüst erreichen solche Größen- und Altersdimensionen. In anderen Worten heißt das, nur durch eine fachgerechte Baumpflege kann der Zielzustand erreicht werden. Insofern sollten sich die Bilanzmodelle für die Bewertung des Jungbaumbestands, d.h. bei Planungswerten, am Aufwand der Baumpflege orientieren. Entscheidend ist dabei, die Baumerziehung höher zu bepunkten als die Pflanzung.

 

Außerdem ist darauf zu achten, dass die Bilanzmodelle Wertsteigerungen durch Sanierungsmaßnahmen ermöglichen. Bilanzmodelle, die diese Kriterien nicht erfüllen, sollten entsprechend überarbeitet werden.

 

Bilanzmodelle der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sollten dementsprechend

  • die ökologische Wertigkeit von Streuobstbeständen relativ zu anderen Biotopen realistisch darstellen,
  • Spannbreite der ökologischen Wertigkeit innerhalb von Streuobstbeständen über Grundwerte mit Zu- und Abschlägen abbilden (z.B. THK2, ÖKVO BW3),
  • Unterwuchs und Baumbestand gesondert bewerten (z.B. THK2, ÖKVO BW3)
  • reine Wildobstwiesen (s. 4.10) niedriger bewerten als Streuobstwiesen mit naturschutzfachlich hochwertigen und pflegeaufwändigen Kultursorten (z.B. Apfel, Birne);

 

Folgende Vorschläge sollten als Zuschläge integriert werden:

  • Zuschläge für fachgerechte und dauerhafte Pflege (z.B. THK):
    Leistungsbezogene Staffelung der Ökopunktevergabe, je ein Drittel bezogen auf 30 Jahre für

    • Pflanzung/Anwuchspflege (Jahr 1-5)
    • Erziehungspflege (Jahr 6-15)
    • nachfolgende Dauerpflege (Jahr 16-30)
  • Zuschläge für langfristige Bewirtschaftungskonzepte (sichert indirekt eine dauerhafte Pflege)
  • vitaler und stabiler Obstbestand und >2.000 m²
  • vitaler und stabiler Obstbestand und günstige Altersstruktur aus 3 Altersgruppen
  • vitaler und stabiler Obstbestand und ≥5 % Habitatbäume und ≥10 Baumhöhlen / ha
  • Langfristige Bewirtschaftungskonzepte
  • Fachgerechte und dauerhafte Pflege
  • Leistungsbezogene Staffelung der Ökopunktevergabe (z.B. je ein Drittel bezogen auf 30 Jahre für Pflanzung/Anwuchspflege, Erziehungspflege und nachfolgende Dauerpflege)

 

Folgende Vorschläge sollten als Abschläge integriert werden:

  • ≥70 % des Bestandes mit deutlichen und langjährigen Pflegerückständen bzw. deutlich beeinträchtiger Vitalität und Stabilität
  • zu dichter Bestand (z.B. >100 Obstbäume / ha)
  • zu lockerer Bestand (≤30 Obstbäume / ha)
  • ungünstige Altersstruktur
  • Mittelstark-schwach wachsenden Veredelungsgrundlagen und Stammhöhen <1,60 m

 

Bei der baurechtlichen Eingriffsregelung oder beim Ausgleich von gesetzlich geschützten Biotopen nach § 30 Abs. 3 BNatSchG kann es sich empfehlen, direkt mit einem monetären Ansatz zu arbeiten, der die Bei der baurechtlichen Eingriffsregelung oder beim Ausgleich von gesetzlich geschützten Biotopen nach § 30 Abs. 3 BNatSchG kann es sich empfehlen, direkt mit einem monetären Ansatz zu arbeiten, der die tatsächlichen Wiederherstellungskosten der zerstörten Biotope in Geldwerten bemisst und für den Ausgleich bereitstellt (Beispiel: monetäres Ökokonto der Stadt Ludwigsburg).

 

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1: Regierungspräsidium Stuttgart: “Was brauchen Halsbandschnäpper, Wendehals, Steinkauz und Co.” Leitbild für das LIFE+-Projekt” Vogelschutz in Streuobstwiesen des Mittleren Albvorlandes und des Mittleren Remstales”. Stuttgart (2010).

2: Handlungskonzept Streuobst Thüringen (Kap. 7.3)

3: Ökokontoverordnung Baden-Württemberg

Unser Vorschlag: Ersatzmaßnahmen mit Streuobst sollten gegenüber Ersatzgeldzahlungen bevorzugt werden, wenn Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds kompensiert werden müssen. Auch hier sind die Landesbehörden gefragt, den UNBen rechtssichere Hilfestellungen bzw. Vorgaben zu unterbreiten.

 

Bauwerke, im Zuge der Energiewende insbesondere Windenergieanlagen, können das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Ein gleichartiger Ausgleich für solche Eingriffe kann nur durch den Abbau anderer vertikaler Bauten geschaffen werden. Dementsprechend werden Eingriffe in das Landschaftsbild bisher vorrangig durch Ersatzgeldzahlungen kompensiert.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch festgestellt, dass „auch Ersatzmaßnahmen in Betracht [kommen], die in anderer Art und Weise und mit Bezug auf andere die Landschaftswahrnehmung bestimmende Faktoren positiv auf das Landschaftsbild einwirken“ und für eine „gleichwertige Herstellung der betroffenen Funktionen“ sorgen1. Da Ersatzmaßnahmen direkt flächenwirksam sind, sind sie gem. § 13 BNatschG gegenüber Ersatzgeld zu bevorzugen.

 

Streuobstbestände, mit ihrer außergewöhnlichen Vielfalt und Eigenart sind prädestiniert, um das Landschaftsbild positiv zu prägen. Entscheidend für effiziente Verfahren ist, dass Kompensationsbedarf und Ersatzleistung angemessen und einheitlich kalkuliert werden. Dabei sollte auch erarbeitet werden, inwiefern Aufwertungen für das Landschaftsbild als multifunktionaler Zuschlag auf bestehende oder anderweitig ausgelöste Kompensationsmaßnahmen hinzugerechnet werden könnten. Diese Grundlagen müssen auf Basis von Best-Practice Beispielen noch geschaffen werden.

 

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1: BVerwG 7 C 3.23 – Urteil vom 12. September 2024

Unser Vorschlag: Bestandssanierungen mit Aufwertungspotenzial sollten als Kompensationsmaßnahme anerkannt und bevorzugt werden. Eine entsprechende Praxis sollte durch Erlasse und differenzierte Biotopwertverfahren unterstützt werden.

 

Eine Aufwertung von alten Streuobstwiesen über Sanierungsschnitt, Mistelentfernung, Entbuschung und Nachpflanzungen sollte als Kompensationsmaßnahme möglich sein. Vor allem die Bedeutung von Nachpflanzungen, die auch einen Pflegeaufwand nach sich ziehen, ist immens, weil diese langfristig den Erhalt der Fläche garantieren. Ihr sollte gegenüber der Neuanlage eine besondere Bedeutung beigemessen werden und insbesondere dann prioritär durchgeführt werden, wenn die langfristige Pflege von Neuanlagen nicht gewährleistet ist. Sanierungen sind die effektivsten und kostengünstigsten Maßnahmen, um die Bestände zu erhalten. Außerdem muss dafür keine zusätzliche (landwirtschaftliche) Fläche in Anspruch genommen werden.

 

Entscheidend für die Genehmigung ist, dass eine Sanierung zur naturschutzfachlichen Aufwertung beiträgt. Das Land Baden-Württemberg hat dafür in einem Erlass fachliche Kriterien definiert: mindestens 70 % des Bestandes muss deutliche und langjährige Pflegerückstände aufweisen oder in Vitalität und Stabilität deutlich beeinträchtigt sein1. Wertgebende Strukturen wie bspw. Totholz sollten durch die Sanierung nicht erheblich beeinträchtigt werden.

 

Hemmnisse, die eine Bestandssanierung grundsätzlich verhindern, sollten abgebaut werden. Dazu gehören:

  • Auslegungspraxis auf den Genehmigungsbehörden, d.h. wenn eine Sanierung grundsätzlich abgelehnt wird; Vorbild: Land Baden-Württemberg2
  • Bilanzmodelle, z. B. in den Verordnungen der Länder, die für Bestandssanierungen keine weiteren Ökopunkte veranschlagen; Vorbild: Handlungskonzept Streuobst Thüringen3

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1: MLR – Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (Hrsg., 2011): Fachliche Hinweise zur Anerkennung der Pflege von Streuobstbeständen als naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahme, Endversion 09.08.2011
2: Küpfer, Habeck & Deuschle (2014): Aufwertung von Streuobstbeständen im kommunalen Ökokonto, Praxisleitfaden, Regierungspräsidium Stuttgart
3: Handlungskonzept Streuobst Thüringen (Kap. 7.3)

Unser Vorschlag: Der Verpflichtungszeitraum sollte an die Finanzierung gekoppelt werden.

 

Einer dauerhaften Verpflichtung sollte nur bei dauerhaft gesicherter Maßnahmenfinanzierung (s. 4.3) zugestimmt werden. Kann keine dauerhafte Finanzierung sichergestellt werden, bspw. bei einem privaten Eingriffsverursacher, ist ein angemessener, befristeter Verpflichtungszeitraum zu wählen, was i. d. R. 25 bis 30 Jahre bedeutet (§ 12 (1) BKompV1).

 

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1: „Die während des nach § 15 Absatz 4 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetz festgesetzten Zeitraums erforderliche Unterhaltung von Kompensationsmaßnahmen umfasst die zur Entwicklung und Erhaltung erforderliche Pflege. Der Unterhaltungszeitraum richtet sich nach der für die Erreichung des Kompensationsziels erforderlichen Dauer; er überschreitet in der Regel die Dauer von 25 Jahren nicht“

Unser Vorschlag: Im Anschluss an die Finanzierung im Rahmen einer Kompensationsmaßnahme sollte die Fläche auch für reguläre Förderprogramme und andere Förderquellen zugelassen werden. Die Landesbehörden sollten hierfür einheitliche Vorgaben schaffen.

 

Eine Anschlussförderung für die Dauerpflege gewährleistet einen dauerhaft guten Zustand der Fläche und sichert somit langfristig das Kompensationsziel. Wird die Pflege der Fläche nach dem Verpflichtungszeitraum weder über Kompensationsmaßnahmen noch über andere Quellen finanziert, kann nicht von einer Funktionssicherung nach § 1 BNatSchG ausgegangen werden. Um auch hier willkürlicher und restriktiver Auslegungspraxis bei den Genehmigungsbehörden vorzubeugen, sollten Erlasse oder Anpassungen in Verordnungen des Landes die Möglichkeit zur Anschlussförderung für Kompensationsflächen garantieren.

Unser Vorschlag: Mit Ersatzgeld sollten vorrangig Maßnahmen finanziert werden, die nicht über Förderprogramme abgedeckt sind. Das hat die beiden Vorteile, dass Lücken in der Förderlandschaft geschlossen werden und keine Konkurrenz zu bestehenden Förderprogrammen entsteht.

 

Ersatzgeld sollte vorrangig für Maßnahmen eingesetzt werden, für die es keine sonstige Förderung gibt. Selbstverständlich müssen die Maßnahmen zu einer naturschutzfachlichen Aufwertung beitragen. Werden in einem Bundesland beispielsweise die Pflanzung und Jungbaumerziehung gefördert, nicht aber der Erhalt und die Weiterentwicklung von älteren Beständen, so könnte die Bestandssanierung über Ersatzgeld gefördert werden1. Außerdem sollte insbesondere die Klimawandelanpassung gefördert werden, beispielsweise durch naturnahe Pflanzverfahren wie Direktsaat. Auch für Maßnahmen mit Ersatzgeld sollten die oben genannten Fachstandards gelten (s. 2.1).

 

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1: Projekt „Aufwertung von Streuobstgebieten im Landkreis Göppingen“

Unser Vorschlag: Wenn die Pflege für eine Maßnahme mit klassischen Kultursorten (z.B. Apfel, Birne) nicht gewährleistet ist, aber dennoch ein ähnliches Biotop gewünscht ist, sollten Obstwiesen mit pflegeärmeren Wildobstarten (z.B. Walnuss, Speierling, Elsbeere) angelegt werden.

 

Nicht in allen Fällen wird es möglich sein, eine fachgerechte Pflege für die Neuanlage einer Streuobstwiese zu organisieren. Es fehlt nicht selten das ausführende Fachpersonal, ausreichend Geld für eine fachgerechte Pflege, oder ein langfristiges Bewirtschaftungskonzept. Dennoch kann es für den Naturschutz und das Ortsbild lohnend sein, das Biotop Streuobstwiese zu erhalten. In solchen Fällen eignen sich pflegeärmere Wildobstbäume als Ersatz für Apfel, Birne und Co. Bei Streuobstwiesen mit Wildobst sind drei Sachverhalte besonders zu berücksichtigen:

 

  • Die Pflanzabstände müssen sich an den ausgewachsenen Kronenbreiten der gewählten Baumarten orientieren
  • Die Wildobstbäume müssen selektiv und fachgerecht aufgeastet werden, d.h. nicht schlicht von unten nach oben, sondern unter Berücksichtigung der Wundgrößen und Wundverhältnisse1
  • Außerdem gilt es zu prüfen, ob regionale Bestände der gewünschten Baumarten vorhaben sind, die von genetischer Introgression bedroht sein könnten (Elsbeere, Mehlbeere). In solchen Fällen sollte gebietsheimisches Pflanzgut verwendet werden, um die regionalen Genotypen zu erhalten. Ist dies nicht möglich, empfiehlt es sich, ausschließlich Baumarten zu verwenden, bei denen diese Problematik im jeweiligen Gebiet nicht gegeben ist (häufig z.B. Walnuss, Esskastanie, Speierling)

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1: Skript Selektives Aufasten

5. Weitergehende Vorschläge

Unser Vorschlag: Gebietseigene und gebietsfremde Wildobst- und Nussarten, die nicht invasiv sind, also keine Gefahr für das Biotop Streuobstwiese darstellen und besondere Eigenschaften in Bezug auf Klimaveränderungen mitbringen, sollten auf Streuobstwiesen erlaubt sein und in die Förderung von und Kompensation mit Streuobstwiesen explizit eingeschlossen werden. Das Gleiche sollte für Pflanzverfahren gelten, die eine Anpassung an den Klimawandel fördern.

 

Wärmeliebende Obstarten wie Quitten, Maulbeeren, Aprikosen, Pfirsiche1 und Mandeln (auf stark-wachsenden Unterlagen), Wildlinge und Kultursorten von Walnuss und Esskastanie, anderen Nussarten sowie Wildobstarten wie bspw. Mispel, Speierling, Mehlbeere, Eberesche, Elsbeere, Kirschpflaume, Holz-Apfel und Wild-Birne sollten einbezogen werden, da sie andere und dabei größtenteils trockenere und wärmere Standortbedingungen vertragen als die bisher auf Streuobstwiesen dominierenden Arten (Apfel, Kirsche, Pflaume, Birne).2 Sie bergen damit großes Potential für Anpassungen an Klimaveränderungen auf Streuobstwiesen und sind zum Teil extensiver in der Baumpflege. Anpassungen an Klimaveränderungen auf Streuobstwiesen und sind zum Teil extensiver in der Baumpflege. Mit immer früheren Blühzeitpunkten steigt die Spätfrostgefahr. Deshalb sollte ein Fokus auf spät-blühenden Sorten und solchen aus Osteuropa liegen. Auf landwirtschaftlich genutzten Streuobstwiesen sind gebietsfremde Arten zur Obstgewinnung bereits zugelassen. Auf nicht landwirtschaftlich genutzten Streuobstwiesen sollten gebietseigene Wildobst- und Nussarten (und ihre gebietsfremden Zuchtsorten) zugelassen werden, wenn sie so gepflanzt werden, dass sie den Charakter des Biotops nicht verändern und als nicht-invasiv eingestuft sind. Förderprogramme zur Neuanlage, Pflege und Bewirtschaftung sollten explizit diese erweiterten Artenlisten miteinbeziehen.

 

Klimaangepasste Pflanzverfahren wie Direktsaat oder Vor-Ort-Veredlung bieten großes Potenzial bei der Neuanlage oder Bestandsergänzung von Streuobstwiesen. Sie werden in den Förderbedingungen, insbesondere bei der Förderung von oder den Anforderungen an Pflanzgut allerdings oft nicht berücksichtigt. Zukünftig sollten sie bei Förderprogrammen und -Kompensationsmaßnahmen zugelassen oder sogar zusätzlich unterstützt werden. Daraus leitet sich bspw. ab, dass Mindeststammhöhen (vgl. Punkt 2.1) nicht direkt bei der Pflanzung/Saat, sondern im Laufe der ersten 5 Jahre hergestellt werden müssen.

Pionierprojekte zur Klimaanpassung und Weiterentwicklung des Streuobstbaus sollten von den in Punkten 1.1 und 2.1 geforderten Baumdichten und Pflanzabständen abweichen dürfen. Voraussetzung muss sein, dass abweichende Bewirtschaftungskonzepte (z.B. Dichtpflanzungen, Begleitvegetation, Überhälter) mit dem Ziel erprobt werden, den Streuobstbau ökologisch widerstandsfähiger oder ökonomisch tragfähiger zu machen (z.B. an maschinelle Bewirtschaftung anpassen).

Grundlegendes zum Thema Pflanzstandards vgl. Punkt 2.1 und die dazugehörigen Verweise.

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1: Aprikose und Pfirsich sind aufgrund ihrer frühen Blüte und Frostempfindlichkeit (Blüte und Holz) für Streuobstwiesen nur eingeschränkt geeignet.2: Hinweis: In früheren Versionen haben wir auch Feigen als zukunftsfähige Baumarten empfohlen. Bis auf wenige frostharte Sorten sind diese aber sehr empfindlich gegen Frost, frieren dann weit zurück und treiben anschließend als Busch statt als Baumstamm aus, sodass sie sich für eine hochstämmige Streuobstanlage nicht gut eignen.

Unser Vorschlag: Förderprogramme mit dem Ziel des Klima- und Naturschutzes für Neuanlage oder Pflege von Streuobstwiesen sollten die gewerbliche Nutzung des Obstes auf den förderfähigen Flächen nicht ausschließen. Auch eine gewerbliche Nutzung des Obstes von Gehölzen in Kompensationsmaßnahmen sollte erlaubt sein. Das ist im bestehenden Rechtsrahmen möglich und wird auch vielerorts so gehandhabt. 1

 

Sämtliche Förderprogramme im Bereich Streuobst sollten auch für gewerblich genutzte Streuobstwiesen gelten. Auch eine Förderung von Obstbeständen auf Flächen, die nicht der Agrarförderung unterliegen, sowie Kompensationsmaßnahmen mit Streuobst2 sollten die gewerbliche Nutzung des Obstes erlauben. Die Auslegung seitens der Behörden sollte hier nicht restriktiver sein als die Mindestmaßgabe des Bundesgesetzgebers.

 

Erst die wirtschaftliche Nutzung des Obstes auf Streuobstwiesen führt zu einem langfristigen Interesse am Erhalt der Bäume und ist damit der stärkste Garant für viele intakte Streuobstwiesen. Aber auch bei einer gewerblichen Verwertung des Obstes bedarf die Pflege einer Streuobstwiese derzeit zusätzlich staatlicher Förderung für Baumschnitt, Unterwuchspflege und Neuanlage, um wirtschaftlich tragfähig zu sein. Denn einer sehr extensiven Nutzung steht hier eine aufwendige Pflege gegenüber. Eine parallel zur Vermarktung erhaltbare Förderung oder Finanzierung durch Kompensation stellt daher weder eine unverhältnismäßige Subventionierung dar noch konkurriert sie mit den Anforderungen des Klima- oder Naturschutzes, sondern unterstützt diese.

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1: § 30 BNatSchG (Gesetzlich geschützte Biotope) untersagt für Biotope wie Streuobstwiesen lediglich „Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung […] führen können“.

2: Für Kompensationsmaßnahmen werden in der Regel durch Privatpersonen oder darauf spezialisierte Planungsbüros „eigenständig“ erarbeitete Projektvorschläge der zuständigen Behörde unterbreitet, die dann als Kompensationsmaßnahme anerkannt werden sollen. Viele Planungsbüros so wurde uns im Rahmen von Akteurstreffen berichtet, schließen dabei von sich aus eine Nutzung des Obstes im Rahmen der von ihnen entworfenen Kompensationsmaßnahme aus. Hier wäre es rechtlich möglich, festzulegen, dass nur Projekte als Kompensationsmaßnahme genehmigt werden, bei denen das nicht der Fall ist, oder sogar positiv solche Projektvorschläge höher zu bewerten, die aktiv ein Nutzungskonzept für das Obst einplanen.

Unser Vorschlag: Ein runder Tisch fördert den Austausch zwischen verschiedenen Akteuren, dient der Abstimmung von Aktivitäten für den Erhalt von Streuobst und einer gemeinsamen Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen.

 

In Nordrhein-Westfalen gibt es seit dem Jahr 1996 ein Gremium mit dem Titel Koordinierungsausschuss Obstwiesenschutz, welches sich derzeit zweimal jährlich zusammenfindet. Mitglieder sind „Naturschutz- und Fachverbände, Baumschulverbände, Obstwiesenvereine sowie Fachbehörden einschließlich dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen“. Ziel des Ausschusses ist es, „Aktivitäten für Obstwiesen ab[zu]stimmen und sich gemeinsam für die Erhaltung von Obstwiesen in NRW ein[zu]setzen“1. Das Gremium widmet sich außerdem aktuellen Fragen, berät zu Förderungen und fachlichen Standards und verfasst verschiedene Informationsmaterialien, wie z.B. die Sortenempfehlungsliste oder Listen von weiterverarbeitenden Betrieben. Es wird von einem Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer koordiniert.

 

Die Schaffung eines runden Tisches, bei dem sich regelmäßig alle Streuobstakteure eines Bundeslandes austauschen, hat ein enormes Potential. Wenn es gelingt, dass Naturschutzverbände, Landwirt:innen, Baumschulen, Behördenvertreter:innen und Initiativen sich in einem festen Rahmen austauschen, kann es folgende Vorteile haben:

 

  • Verständnis der Praxis: Die Mitarbeiter:innen der Behörden können ein genaues Gefühl dafür bekommen, wie die Lage der Streuobstbewirtschafter:innen ist: Was sind die derzeitigen Probleme? Wie ist die wirtschaftliche Lage? Gibt es neue Ideen und Erkenntnisse, die begleitet werden sollten? Dies bietet die Chance, negative Entwicklungen frühzeitig wahrzunehmen und Gegenmaßnahmen zu treffen

 

  • Weiterentwicklung der aktuellen Rahmenbedingungen: Personen aus der Praxis bekommen die Gelegenheit, schneller und unmittelbarer ihren Eindruck zu schildern und Handlungsbedarfe zu beschreiben. Zu geplanten Veränderungen der Rahmenbedingungen kann direkter und unmittelbarer Feedback eingeholt werden, zudem wird es Vorschläge direkt aus der Praxis geben. So können Rahmenbedingungen effizient weiterentwickelt werden. Auch Standards oder obig beschriebene Informationsmaterialien können im Rahmen dessen verfasst oder weiterentwickelt werden. Zudem steigt der Grad der Legitimation durch die Teilnehmer:innen.

 

  • Schaffung von Synergieeffekten: Durch die regelmäßige Zusammenkunft unterschiedlicher Akteure können Synergieeffekte entstehen, die die Zusammenarbeit auf ganz verschiedenen Ebenen fördert. Auch ein gezielter Austausch zu einzelnen Themen wie Klimawandel oder Wirtschaftlichkeit erhöht das Gesamtwissen der Akteure. Dies stärkt nicht nur die Effektivität der einzelnen Initiativen oder Projekte, sondern auch die Gesamtwirkung des Streuobstnetzwerks, da alle Beteiligten von den Ressourcen und Erfahrungen der anderen profitieren können.

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1: https://www.landwirtschaftskammer.de/gartenbau/beratung/obstbau/artikel/obstwiesenschutz.htm

Unser Vorschlag: Um den zukünftigen Landwirt:innen das nötige Wissen und die Fähigkeiten zu vermitteln, Streuobst, Hecken und modernen Agroforst bewirtschaften zu können, sollten diese in den landwirtschaftlichen Lehrplan (Ausbildung, Studium) integriert werden.

 

Um Agroforstsysteme erfolgreich in den landwirtschaftlichen Lehrplan zu integrieren, sind verschiedene Schritte und Maßnahmen erforderlich. Diese beinhalten sowohl strukturelle Anpassungen im Bildungssystem als auch die Bereitstellung praktischer Ressourcen und Unterstützung für die Lehrkräfte und Lernenden.

 

  • Anpassung des Lehrplans und Entwicklung von Modulen: Dies erfordert die Entwicklung spezieller Unterrichtsmaterialien und Module, die sowohl die theoretischen Grundlagen als auch praktische Anwendungen von Agroforstsystemen abdecken. Der Lehrplan sollte Themen wie die Auswahl geeigneter Baumarten, die ökologischen Vorteile verschiedener Formen von Agroforstwirtschaft, den richtigen Anbau von Nutzpflanzen und Bäumen sowie das Management und die Pflege dieser Systeme umfassen. Von besonderer Bedeutung sind dabei Exkursionen und ggf. praktische Veranstaltungen in Kooperation mit landwirtschaftlichen Agroforstbetrieben, Schnittschulen oder Planer:innen, in denen verschiedene Aspekte verdeutlicht werden können.

 

  • Schulung und Weiterbildung der Lehrkräfte: Die Lehrkräfte sollten durch Fortbildungsmaßnahmen auf den neuesten Stand gebracht werden. Dies könnte durch Workshops, Seminare oder Schulungsreisen zu bestehenden Agroforstprojekten geschehen. Um ihre Schüler:innen/Student:innen kompetent unterrichten können, sollten Lehrkräfte nicht nur über theoretische Kenntnisse verfügen, sondern auch mit praktischen Aspekten von Agroforstsystemen vertraut sein. Zu ihrer Unterstützung sollten geeignete Lehrmaterialien (Handbücher, Videos, Fallstudien, digitale Ressourcen, …) entwickelt werden. Diese Materialien sollten einfach zugänglich und an die Bedürfnisse verschiedener Studienziele angepasst sein.

Unser Vorschlag: Um Streuobstwiesen langfristig zu erhalten, sollten ökonomisch tragfähige Nutzungskonzepte geschaffen werden. Förderprogramme im Bereich Vermarktung und Verarbeitung können hier den notwendigen Anschub leisten.

 

Streuobstwiesen leben von ihrer Nutzung. Eine wirtschaftliche Perspektive für ihre Produkte ist dringend notwendig. Dazu bedarf es eigener Programme, die Aufpreis- oder Vermarktungsnetzwerke fördern, Investitionen zur Ernte- und Verarbeitungstechnik sowie zur Vermarktung bezuschussen. Auch ein entsprechendes Bewusstsein in der Bevölkerung sollte gefördert werden. Als Vorbild kann hier Baden-Württemberg mit einem Programm zur Förderung von Aufpreisinitiativen dienen und die Länder Bayern und Sachsen-Anhalt mit den Förderprogrammen zur Marktstrukturverbesserung1.

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1: In Rheinland-Pfalz gab es ebenfalls ein solches Programm, das aber 2024 ausgelaufen ist.

 

Unser Vorschlag: Ein zusätzliches Förderprogramm für Sortengärten ist notwendig, um dem drohenden Verlust der genetischen Vielfalt entgegenzuwirken.1

 

Die genetische Vielfalt von Obstsorten findet sich besonders auf Streuobstwiesen. Diese Vielfalt ist bedroht durch das hohe Alter einzelner Baumindividuen, wenig Expertise für Sortenkenntnis, unzureichendes Wissen über die genauen Standorte seltener Sorten und eine fehlende systematische Erfassung der Bestände in Deutschland. Es bedarf daher eines Förderprogramms für Sortengärten, in denen Sorten systematisch zusammengetragen, gepflegt und erhalten werden. Bedingung für diese Förderung muss sein, dass der Sortengarten auf geeignetem Boden angelegt wird, starkwachsende Unterlagen verwendet werden und Reiser für Dritte verfügbar gemacht werden. Der Erhalt von max. zwei Bäume pro Sorte sollte als zusätzliches Förderprogramm mit 20 bis 50 Euro/Jahr honoriert werden. Die Sortenechtheit wäre vor der Abgabe von Reisern zu prüfen.

 

Eine Alternative dazu wäre die Umsetzung der im GAK-Rahmenplan vorgesehenen Förderung „Erhaltung der Vielfalt der genetischen Ressourcen in der Landwirtschaft“. Hier gibt es für Unternehmen der Landwirtschaft bei einer Dauerkultur 300 bis 700 Euro je erhaltener Sorte zum Reiserschnitt bei (min. 3 Mutterbäume je Sorte) bzw. 500 bis 1.000 Euro für den Anbau je Hektar. Es wäre sinnvoll, den Kreis der Zuwendungsempfänger:innen für dieses Programm auszuweiten oder ein entsprechendes zusätzliches Programm für diese Zielgruppe zu schaffen.

 

Eine weitere, wesentlich flexiblere und damit besser geeignete Alternative ist die Wiederaufnahme des Entwurfs vom BMEL (2017) „Fördergrundsatz Pflanzengenetische Ressourcen“, wozu sich mindestens vier Bundesländer zusammentun müssten.

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1: Die Idee zu diesem Vorschlag stammt von Hans-Joachim Bannier.

Unser Vorschlag: Das Angebot an Sämlingsunterlagen vieler Obstarten verringert sich drastisch, da langjährige Samenspenderanlagen bzw. Saatgutquellen wegbrechen. Um die Versorgung mit Sämglingsunterlagen zu sichern, sollten Samenspenderanlagen für zukunftsfähiges Unterlagensaatgut gefördert bzw. staatlich aufgebaut werden.

 

Sämlingsunterlagen sind unverzichtbar für den landschaftsprägenden Streuobstbau. Sie wachsen am stärksten, d.h. sie bilden die größten Bäume aus und passen sich am besten an den Standort an. Die wesentlichen Vorteile von Sämlingsunterlagen im Vergleich zu den genetisch identischen Typenunterlagen (vegetative Vermehrung) sind erstens die genetische Vielfalt (generative Vermehrung) und zweitens das robustere Wurzelbild. Beides verbessert insbesondere bei Pflanzung von 1-2-jährigen Sämlingen die Standortanpassung durch besseres Anwachsen und epigenetischer Anpassung.

Die langjährigen Samenspenderanlagen für die wenigen kommerziell angebotenen Sämlingsunterlagen fallen zunehmend aus, was zur Folge hat, dass z.B. beim Apfel zwei der drei wesentlichen Sämlingsunterlagensorten nicht mehr im Handel verfügbar sind (Grahams Jubiläumsapfel und Antonowka).

Um die Versorgung mit geeigneten und zukunftsfähigen Sämlingsunterlagen langfristig zu sichern und zu verbessern, braucht es eine Vielzahl von Samenspenderanlagen an unterschiedlichen Standorten. Die Anlagen müssen langfristig betrieben und gesichert sein. Solche Samenspenderanlagen sollten staatlich aufgebaut oder zumindest analog Punkt 5.6 gefördert werden.

Unser Vorschlag: In vielen Bundesländern bedroht die Laubholzmistel Streuobstbestände. Diesem Problem sollte mit einer umfassenden Mistelstrategie entgegengewirkt werden.

 

Die Mistel ist ein Halbschmarotzer, der an Laubbäumen oder Sträuchern wächst. Streuobstbestände sind oft besonders stark betroffen. Misteln entziehen Bäumen wertvolle Nährstoffe und Wasserreserven (verstärkte Verdunstung besonders im Winter und in Trockenperioden), führen zu einer Verschattung der Kronen und häufigerem Astausbruch. Eine Mistelstrategie sollte die folgenden Punkte umfassen:

 

  • Bewusstseinsbildung, v. a. um der verbreiteten Fehlmeinung entgegenzuwirken, die Mistel stünde unter Naturschutz. Einen Leitfaden zum Umgang mit der Mistel hat der Fachverband Obstgehölzpflege veröffentlicht.
  • Integration von Mistelentfernung in Förderprojekte und -programme (Zuwendungsbedingungen, fachliche Standards, gesonderte Förderprogramme)
  • Schaffung eines Förderprogramms zur Mistelentfernung in strategisch-wichtigen Regionen, verbunden mit einem Verjüngungsschnitt
  • Verankerung der Mistelkontrolle bei den routinemäßigen Baumkontrollen und konsequente Entfernung im Nachgang
  • Verankerung der Mistelentfernung in Ausschreibungen
  • Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten und inwiefern Flächeneigentümer:innen und -bewirtschafter:innen zur Mistelentfernung verpflichtet werden können (insbesondere, wenn diese den Streuobstbestand in seiner Existenz gefährden)
  • Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten, inwiefern Anrainer:innen gestattet werden kann, Misteln auf angrenzenden Flächen sachgemäß zu entfernen.

Diese Strategie sollte flächendeckend durchgeführt werden und nicht nur in den Streuobstbeständen, sondern auch in deren Umfeld.

Unser Vorschlag: Das Land sollte bei der Vergabe von Pachtverträgen für ihre Flächen Gemeinwohl-Kriterien anwenden, welche auch die Anlage von Hecken und Streuobst als positives Bewertungskriterium enthalten. Das kann eine Vorbildfunktion für andere öffentliche (kommunale), sowie private (bspw. Kirchen) Eigentümer ausüben.

 

Anstelle einer Vergabe an diejenigen, welche die höchste Pachtgebühr bieten, werden so Pächter:innen ausgewählt, welche die meisten positiven Leistungen für Natur und Gesellschaft erbringen. Weitere Hinweise zur Gemeinwohlverpachtung finden Sie auf der Website der AbL Mitteldeutschland. Im dort vorgeschlagenen Gemeinwohlkatalog ist die Anlage von Gehölzen berücksichtigt.

 

Auch können Vorgaben zur Pflanzung von Hecken und Gehölzen in Pachtverträgen festgehalten werden.

Unser Vorschlag: Die Förderung des Bewusstseins für Streuobstwiesen sollte durch Streuobstpädagogik, öffentliche Veranstaltungen und die Integration von Streuobstprodukten in öffentliche Kantinen und Einrichtungen erfolgen.

 

Die Förderung des öffentlichen Bewusstseins für Streuobstwiesen und deren Bedeutung ist ein entscheidender Schritt, um das Thema in der breiten Öffentlichkeit stärker zu verankern und langfristig zu sichern. Dazu könnten die folgenden Bereiche gestärkt werden:

 

  • Streuobstpädagogik kann Schüler:innen, aber auch Menschen anderer Altersgruppen für Streuobstwiesen, deren Erhalt und Produkte begeistern. Entsprechende Angebote sollten an Schulen geschaffen werden. Das Angebot “Die Streuobstwiese – unser Klassenzimmer im Grünen” hat sich in den Grundschulen Baden-Württembergs etabliert und wird dort von Ministerien und Landkreisen finanziell gefördert.
  • Öffentlichkeitsarbeit durch Veranstaltungen und Kampagnen: Informationsveranstaltungen, wie Streuobstwiesenfeste, Apfelfeste oder Tag der offenen Tür bei Obstwiesen, können eine breite Zielgruppe ansprechen und das Thema Streuobstwiesen in den Fokus rücken. Durch Medienberichte, Social Media Kampagnen und Broschüren kann das Bewusstsein weiter gestärkt werden.
  • Berücksichtigung in öffentlichen Kantinen und Einrichtungen: Öffentliche Einrichtungen können ihrer Vorbildfunktion nachkommen und Streuobstprodukte in öffentlichen Kantinen, Schulen, Kindergärten und anderen Einrichtungen anbieten. Damit wird nicht nur das Wissen über Streuobstwiesen gefördert, sondern auch eine Wertschätzung für regional erzeugte und nachhaltig produzierte Lebensmittel aufgebaut.

Unser Vorschlag: Ein regionales Beratungsnetzwerk für Streuobst kann fachliche Unterstützung für die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen bieten, Akteure vernetzen und die nachhaltige Nutzung und den Schutz von Streuobstwiesen in einer bestimmten Region koordinieren und fördern.

 

Die Etablierung eines regionalen Beratungsnetzwerks im Bereich Streuobst kann sich an der Struktur des bayerischen Beratungsnetzwerks orientieren. Im Mittelpunkt sollten verschiedene Kernaspekte stehen:

 

  • Fachliche Unterstützung für Streuobstbewirtschaftende: Das Netzwerk bietet Beratung, z.B. bezüglich der Standortauswahl, Fördermitteln oder dem Finden von qualifizierten Obstbaumpflegenden.
  • Organisatorische Unterstützung der regionalen Streuobstszene: Das Netzwerk kann eine Anlaufstelle für Menschen bieten, die Maschinen ver- oder entleihen wollen, eine Verarbeitung gemeinsam organisieren möchten oder um den Austausch zwischen verschiedenen Akteuren erhöhen.
  • Monitoring und Dokumentation: Das Netzwerk kann eine zentrale Rolle durch im Monitoring der Streuobstlandschaft übernehmen. Neben der Erfassung von Wiesen und Bäumen (ggf. auch Pflegezustand und Schädlingen) zählen dazu auch produzierende oder weiterverarbeitende Akteure.

Unser Vorschlag: Eine Professionalisierung des Ehrenamts im Bereich Streuobst ist sinnvoll, um Fachkenntnisse zu erweitern und die nachhaltige Pflege der Streuobstwiesen zu sichern.

 

Ehrenamtliche und gemeinnützige Vereine leisten wertvolle Arbeit, sind jedoch oft nicht langfristig finanziert und würden von entsprechender Unterstützung profitieren. Durch Kongresse und praktische Workshops, z.B. zur wirtschaftlichen Nutzung, können sie ihr Engagement steigern, ihre Kompetenzen erweitern und ggf. ihre finanzielle Situation verbessern. Eine finanzielle Unterstützung für die Teilnahme an Baumwartausbildungen ermöglicht es Streuobstengagierten, sich in diesem Bereich selbstständig zu machen und damit die Kulturlandschaft langfristig zu bewahren.

Handlungsempfehlung Streuobst

Lesen Sie hier die Handlungsempfehlung mit Vorschlägen zur Ausgestaltung

 

 

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Stand: November 2025