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Empfehlungen für eine öffentliche Förderung

Alleen und Baumreihen

Anmerkungen zu den Empfehlungen: Dies sind Vorschläge zur Gestaltung der öffentlichen Förderung von Alleen und Baumreihen durch fachliche Vorgaben, Förderprogramme oder Kompensationsmaßnahmen. Die allgemeinen Empfehlungen wurden von BaumLand auf Grundlage einer Analyse der Förderprogramme und Kompensationspraxis in den verschiedenen Bundesländern erarbeitet. Sie wurden und werden von uns im Dialog mit unterschiedlichen Akteuren stetig weiterentwickelt. Ziel dieser Empfehlungen ist es, einen strukturierten und umfassenden Überblick zu vermitteln.

 

Auf Basis dieser Perspektive entwickeln wir im Dialog mit den jeweils regional verankerten Akteuren bundesland-spezifische Empfehlungen. Darin werden neben den hier vorgestellten allgemeinen Empfehlungen auch eine Situationsanalyse für Bundesland sowie und konkrete Vorschläge für das Bundesland integriert.

 

Nützliche Übersichten:
Bundesweite Förderübersicht für Gehölzsysteme (mit Filtern zur Auswahl):
Empfehlungen für die öffentliche Förderung von Alleen und Baumreihen

 

1. Grundsätzliches

Alleen und Baumreihen sind bislang nicht in allen Bundesländern definiert. Wo es Definitionen gibt, fallen diese unterschiedlich aus. Auch in den Zuwendungsbedingungen verschiedener Förderprogramme finden sich unterschiedliche Anforderungen. Wir empfehlen folgende Definition von Peters et al. (2022):

 

  • Baumreihen sind Abschnitte gepflanzter Bäume an Straßen und Wegen mit einer Mindestlänge von 50 m auf einer Straßenseite.
  • Alleen bestehen aus zwei oder mehr parallel verlaufenden Baumreihen an Straßen und Wegen mit einer Mindestlänge von 50 m.

 

Für Förderprogramme sollten die Anforderungen an eine Mindestbaumanzahl spezifiziert werden (siehe 4.1).

Unser Vorschlag: In allen Bundesländern sollten umfassende Handlungskonzepte zu Alleen und Baumreihen erstellt werden.

 

Hintergrund: Ein (rechtlich) verbindliches Handlungskonzept für Alleen und Baumreihen, wie es in Thüringen zum Thema Streuobst existiert, kann fachliche Standards zusammenfassen und somit als wichtige Orientierung für Kommunen und andere Umsetzende dienen. Brandenburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern haben bestehende Handlungskonzepte zum Thema Alleen / Straßenbäume, die teilweise Verbesserungsbedarf aufweisen, aber dennoch bereits viele wichtige Aspekte beinhalten. Ein gewinnbringendes Handlungskonzept sollte mindestens folgende Punkte abdecken:

 

 

Besonders letzteres Beispiel umfasst klare Vorgaben zur Lückenbepflanzung, Kompensation, Bekanntmachung von Bilanzen und Fällungen, Poolbildung, Alleenschutz und Radwegen sowie Pflanzung und Pflege. Auch wenn diese Vorgaben z.T. einen Verbesserungsbedarf aufweisen, so ist die rechtliche Verankerung ein wichtiger erster Schritt, den wir auch in anderen Bundesländern empfehlen.

Unser Vorschlag: Bisherige Vorgaben zur Artenzusammensetzung, Pflanzung und Pflege von Alleen und Baumreihen sollten angepasst werden, um den Herausforderungen der Klimakrise zu begegnen. Auch Förderprogramme und Regelungen zu Kompensationsmaßnahmen sollten dementsprechend geprüft und angepasst werden.

 

Hintergrund: Viele gängige Alleebaumarten sind durch Trockenheit, Sturm oder andere Extremwetterereignisse des sich wandelnden Klimas gefährdet. Zudem sind Alleen Extremstandorte: nach oben hin exponiert, im Wurzelraum durch Versiegelung oder Bodenarbeiten oft eingeschränkt. Ein klimawandelangepasstes Alleenmanagement muss daher die Artzusammensetzung bei der Neu- oder Nachpflanzung im Blick haben.

 

Mischbaumalleen aus mehreren Arten des gleichen Habitus und die Erprobung von nicht-invasiven Baumarten anderer Herkünfte (z. B. Mittelmeer, Kaukasus) sollten zu einem geringen Anteil gefördert werden. § 40 BNatSchG regelt die Genehmigungspflicht für das Ausbringen gebietsfremder Pflanzen in der freien Natur. Die Erfordernisse der Klimaanpassung sollten als Ausnahmegrund anerkannt werden, um Alleenpflanzungen mit nicht heimischen, klimaangepassten Baumarten zu ermöglichen.

 

Ein klimawandelangepasstes Alleenmanagement muss außerdem die Praktiken der Pflanzung und Pflege anpassen.

2. Empfehlungen für den Erhalt von Alleen und Baumreihen

Unser Vorschlag: Der Schutz von Alleen und Baumreihen sollte in allen Bundesländern rechtlich verankert werden. Der gesetzliche Schutz darf eine (wirtschaftliche oder private) Nutzung von Baumfrüchten nicht ausschließen.

 

Hintergrund: Das Bundesnaturschutzgesetz beinhaltet für Alleen und Baumreihen bislang keinen im gesamten Bundesgebiet geltenden Schutz, aber schafft mit § 29 eine explizit für Gehölze gedachte Schutzmöglichkeit für die Länder: Die Unterschutzstellung als „geschützter Landschaftsbestandteil“ (GLB) auf Landesebene nach § 29 BNatSchG impliziert neben einem Verbot von Handlungen, die zu Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung führen können, auch die Möglichkeit, im Falle einer Bestandsminderung eine „Verpflichtung zu einer angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzung oder zur Leistung von Ersatz in Geld“ zu verfügen. Wir empfehlen daher, dass der Status als GLB in allen Bundesländern auf Alleen und Baumreihen ausgeweitet wird.

 

Es ist wichtig, dass das Gesetz ein Beseitigungs- und Beschädigungsverbot beinhaltet, aber eine nachhaltige (wirtschaftliche und private) Nutzung von Baumfrüchten erlaubt. Gerade für Kommunen kann die Verpachtung der Obst- oder Nussernte ein Anreiz für die Pflege oder Neuanlage von Alleen sein.

Wir empfehlen, neben dem Beseitigungs- und Beschädigungsverbot auch ein Neu- und Nachpflanzungsgebot gesetzlich zu verankern. Entsprechende Paragrafen gibt es beispielsweise in den Naturschutzgesetzen von Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt.

 

Zusätzliche Bestimmungen können den Schutz verstärken:

 

 

Aktueller Stand in den Bundesländern:

In den Landesnaturschutzgesetzen von Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind Alleen als GLB nach § 29 BNatSchG gesetzlich geschützt. In Hessen und Schleswig-Holstein sind Alleen als gesetzlich geschützte Biotope nach BNatSchG § 30 genannt. In Mecklenburg-Vorpommern sind Schutz und Pflege von Alleen sogar in der Verfassung festgeschrieben1.

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1: Verf MV, Artikel 12: „Land, Gemeinden und Kreise schützen und pflegen die Landschaft mit ihren Naturschönheiten, Wäldern, Fluren und Alleen, die Binnengewässer und die Küste mit den Haff- und Boddengewässern. Der freie Zugang zu ihnen wird gewährleistet.“

Unser Vorschlag: Eine zentrale Grundlage für effektive Bestandssicherung und -erweiterung von Alleen ist ein bundesweit einheitliches, niederschwellig einsehbares Kataster, an dem die Behörden aus unterschiedlichen Sektoren koordiniert mitwirken.

 

Hintergrund: In vielen Regionen Deutschlands gibt es keine systematisierte Erfassung von Alleebäumen. Aktuell bestehende regionale Baumreihen-/ Alleenkataster werden in der Regel von Verkehrs- und Naturschutzbehörden oder Umweltverbänden erstellt, die oft in denselben oder überlappenden Regionen tätig sind. Bisher werden nur selten Daten ausgetauscht oder in ein gemeinsames System eingespeist.

 

Im Bericht des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr zur Gemeinsamen Konferenz der Verkehrs- und Straßenbauabteilungsleitungen der Länder (GKVS) und der Verkehrsministerkonferenz (VMK) 2024 wurde die Einführung eines bundeseinheitlichen Baum- und Alleenkatasters beschlossen. Dieses ist essenziell für die Dokumentation des Alleebestands und darauf basierende Handlungskonzepte.

 

Peters et al. (2022) haben in ihrem Handlungsleitfaden einen bundeseinheitlichen Kartierbogen zur Schnellkartierung von Alleen und Baumreihen entwickelt, der als Grundlage für ein bundesweites Alleenkataster genutzt werden sollte.

 

Zusätzlich haben wir folgende Vorschläge für ein bundesweites Alleen- und Baumreihenkataster:

 

  • Eine Bilanzierung auf Kreisebene sollte möglich sein.
  • Eine Bilanzierung nach Alleentyp, Baumarten, Vollständigkeit, Straßenkategorien (Bundesstraßen, Landesstraßen, Fahrradwegen, etc.) sollte möglich sein.
  • Mindestens einmal jährlich sollte eine aktuelle Übersicht über bestehenden Alleen sowie über gefällte und neu gepflanzte Bäume veröffentlicht und online bereitgestellt werden. Filterbare Karten könnten dabei eine niederschwellige Nutzung ermöglichen.
  • Um überlappende Datenerfassung zu vermeiden, sollte ein regelmäßiger Austausch sowie eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Behörden etabliert werden.

Unser Vorschlag: Die geltenden Richtlinien RPS 2009 und ESAB 2006 sollten grundlegend aktualisiert und vereinheitlicht werden, damit der Erhalt von Alleen auch mit steigenden Anforderungen an die Verkehrssicherheit vereinbar bleibt.

 

Hintergrund: Die Richtlinie für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS 2009) legt einen Abstand von 4,5 m (60-70 km/h), 7,5 m (80-100 km/h), bzw. 12 m (> 100 km/h) zwischen Straßenrand und Hindernis (z.B. Baum) fest. Topografie (Gräben, Böschungen) und das Bestehen, bzw. die Einrichtung von Schutzeinrichtungen können diese Abstände auf bis zu 3 m reduzieren. Die Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB 2006) erlauben bei bestehenden Baumreihen die Nachpflanzung in der Flucht der alten Bäume, wenn die Baumlücke unter 100 m beträgt. Ist die Lücke größer, müssen auch bei Nachpflanzungen die oben beschriebenen Abstände eingehalten werden.

 

In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Interpretationen zur Anwendung dieser Vorgaben. Zum Teil werden Alleebäume als zu entfernendes Hindernis gemäß RPS interpretiert und großflächig gefällt, obwohl in der ESAB diverse Maßnahmen zur Unfallvermeidung (Fahrzeug-Rückhaltesysteme, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Überholverbote, etc.) dargestellt werden, die einer Baumfällung vorzuziehen sind.

 

Durch folgende Anpassungen der beiden Richtlinien sollte dies unbedingt vermieden und der Alleenschutz, bzw. die Möglichkeiten zur Neuanlage verbessert werden:

 

  • RPS und ESAB sollten klar vermitteln, dass die angegebenen Sicherheitsabstände zwischen Straßenrand und Baum nur bei Neupflanzungen ganzer Alleenabschnitte gelten. Altbestände mit geringeren Abständen zur Straße müssen erhalten werden.
  • Baumfällungen zur Reduzierung der Unfallhäufigkeit sollten in der RPS als Ultima Ratio benannt werden. Für das Vorgehen mit Bäumen am Straßenrand sollte klar auf die ESAB verwiesen werden.
  • Im Abwägungsprozess zur Baumfällung als Hindernisentfernung sollten Naturschutzbehörden und -verbände verpflichtend beteiligt werden. Dies kann auch durch eine entsprechende gesetzliche Unterschutzstellung von Alleen und Baumreihen erfolgen.
  • In den ESAB sollten konkrete Empfehlungen zur Geschwindigkeitsbegrenzung aufgenommen werden. Wir empfehlen in Anlehnung an eine Stellungnahme des BUND1 eine Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Alleen auf generell 80 km/h, bei Unfallschwerpunkten im Einzelfall auf 40 bis 60 km/h und in geschlossenen Ortschaften auf 30 km/h. Geschwindigkeitsbegrenzung in Alleen in Kombination mit intensiver Kontrolle kann die Zahl der (tödlich) Verunfallten auf ein Minimum reduzieren.
  • Die Empfehlung zur Einrichtung von Fahrzeugrückhaltesystemen in der ESAB sollte dahingehend ergänzt werden, dass der Schutz der Baumwurzeln bei der Bebauung mit Leitplanken etc. beachtet wird (siehe 2.4).
  • Die Verpflichtung zur Nachpflanzung bestehender Alleen in der bisherigen Baumflucht sollte in den ESAB, in Kombination mit den geltenden Naturschutzgesetzen, deutlich verankert werden.
  • Der Passus zur Vermeidung obsttragender Bäume in der ESAB sollte auf Bundes- und Landesstraßen beschränkt werden. An Kreis- und Gemeindestraßen, sowie an Fuß- und Radwegen ist die Gefahr von Wildunfällen durch die geringere Fahrtgeschwindigkeit nicht erheblich.

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1: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) (2004): Stellungnahme zu den „Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume” (ESAB) der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV), Arbeitsgruppe Verkehrsführung und Verkehrssicherheit. Berlin

Unser Vorschlag: Baumschutz auf Baustellen soll verpflichtender Bestandteil von Verträgen mit Bauvorhabensträger:innen sein. Eine baumschutzfachliche Baubegleitung soll verpflichtend stattfinden.

 

Hintergrund: Durch Straßen- und Radwegeausbau, und auch durch erhöhten Leitungsausbau im Zuge der Energiewende sind Baumaßnahmen an Straßen allgegenwärtig. Bäume an Straßen können durch Baumaßnahmen maßgebliche Schäden an Krone, Stamm und Wurzeln erleiden, die die Lebenszeit des Baumes verkürzen und auch relevante Folgekosten verursachen können. Der Schutz von Straßenbäumen bei Baustellen an Straßen ist daher unbedingt nötig. Zu beachten ist hier insbesondere der oft vergessene Schutz von Baumwurzeln bei der Leitungsverlegung oder bei der Einrichtung von Leitplanken. Es gibt diverse Regelwerke, Normen und Vorschriften, die sich mit dem Baumschutz auf Baustellen beschäftigen (R SBB 2023, DIN 18920, FGSV 939, ZTV-Baumpflege, Baumschutzkompensationserlasse u. Ä.).

 

Oft beinhalten Verträge oder schriftliche Vereinbarungen zwischen Bauvorhabensträger:innen und Flächeneigentümer:innen jedoch keine klaren Regelungen zum Baumschutz. Eine fachgerechte Ausschreibung der Baumaßnahmen, etwa nach den Vorgaben der ZTV-Baumpflege (2017) ist entscheidend, damit alle relevanten Normen, Regelwerke und Merkblätter berücksichtigt werden. Eine zentrale Rolle spielt auch die baumschutzfachliche Baubegleitung, die von der Planungsphase bis zum Abschluss der Bauarbeiten aktiv einbezogen werden muss.

 

Wir fordern daher, dass Baumschutz auf Baustellen in allen Bundesländern verpflichtender Vertragsbestandteil wird, und dass eine baumschutzfachliche Baubegleitung verpflichtend festgeschrieben und mit Beginn der Planung in Bauprojekte integriert wird.

 

Guter Vorstoß: In Mecklenburg-Vorpommern ist im Rahmen des Windenergieausbaus aktuell ein Erlass geplant, mit dem der inhaltliche Rahmen von Verträgen und Vereinbarungen nach FGSV 939 zum Baumschutz auf Baustellen festgeschrieben wird.

Unser Vorschlag: Straßenbaulastträger:innen oder Kommunen sollten prinzipiell auch für die ackerseitige Kronen- und Wurzelerziehung Sorge tragen. Damit können Konflikte mit anliegenden Flächenbewirtschafter:innen vermieden und folgenschwere Beschädigungen der Krone und Wurzeln verhindert werden.

 

Hintergrund: Die Vorschriften zur Erstellung des Lichtraumprofils beziehen sich bisher nur auf die Straßen- oder Wegseite von Alleen. Ältere Alleebäume haben häufig starke Äste und Wurzeln in Richtung Acker entwickelt, die den Betrieb mit landwirtschaftlichen Maschinen stören. Weit in die Ackerfläche hineinragende Äste können den Flächenbewirtschafter:innen außerdem Probleme bei der Überprüfung von Feldstücksgrenzen anhand von Orthofotos im Agrarantrag bereiten. Ein eigenmächtiges Abschneiden störender Starkäste führt zu großen Wunden und damit dem vorzeitigen Absterben des Baumes. Starkwurzeln im Ackerbereich beinträchtigen den Ertrag, unregelmäßiges Pflügen an der Ackerkante wiederum kann zu folgenschweren Beschädigungen der Starkwurzeln führen.

 

Aus diesem Grund ist die ackerseitige Pflege von Alleebäumen ein wichtiger Bestandteil der langfristigen Bestandessicherung und sollte folgenden Komponenten erhalten:

 

  • Im Jungbaumstadion muss auch auf der ackerseitigen Seite auf ein Lichtraumprofil von min. 4,5 m aufgeastet werden (siehe 4).
  • Alte Bestände mit tief ansitzenden Starkästen auf der Ackerseite sollten mehrstämmig aufgeastet werden.
  • Für die landwirtschaftliche Bodenbearbeitung sollte (bestenfalls bei der Anlage der Allee) eine Grenze festgelegt und markiert werden.
  • Entlang dieser Grenze sollte regelmäßige Bodenbearbeitung stattfinden, um die Baumwurzeln in die Tiefe zu erziehen. Soll auf dem Acker für eine längere Zeit nicht gepflügt werden, aber die Option behalten werden, später wieder zum Pflügen überzugehen, sollte ein Bodenschnitt auf der vereinbarten Bodengrenze unabhängig von der Ackerbearbeitung durchgeführt werden.

 

Förderprogramme, die ein zeitweises Nicht-Pflügen eines breiteren Streifens neben den Bäumen finanziell kompensieren, sind kontraproduktiv: Sobald die Maßnahme nicht verlängert und der Bereich wieder gepflügt wird, entstehen so Wunden an dickeren Wurzeln, die dem Baum Schaden zufügen und zu einem vorzeigen Absterben führen können.

Unser Vorschlag: In vielen Bundesländern bedroht die Laubholzmistel Baumbestände. Mit einer umfassenden Mistelstrategie auf Landes- und Bundesebene sollte diesem Problem entgegengewirkt werden.

 

Die Mistel ist ein Halbschmarotzer, der an Laubbäumen oder Sträuchern wächst. Streuobstbestände sind oft besonders stark betroffen. Misteln entziehen Bäumen wertvolle Nährstoffe und Wasserreserven (verstärkte Verdunstung besonders im Winter und in Trockenperioden), führen zu einer Verschattung der Kronen und häufigerem Astausbruch. Die Samen werden über Vögel verbreitet. Alleen dienen der Mistel so als Verbreitungswege zwischen Siedlungen und Biotopen. Bei Pflegemaßnahmen an Alleebäumen sollte daher immer auch eine vollständige Mistelentfernung am Baum und (falls möglich) in der Umgebung stattfinden.

 

Wir empfehlen die Ausarbeitung einer flächendeckenden Mistelstrategie auf Landes- oder Bundesebene, die u. a. folgende Punkte umfasst:

 

  • Bewusstseinsbildung, v.a. um dem Vorurteil entgegenzuwirken, dass die Mistel unter Naturschutz stünde
  • Fachliche Standards zur Mistelentfernung und -vorbeugung
  • Verankerung der Mistelkontrolle bei den routinemäßigen Baumkontrollen und konsequente Entfernung im Nachgang
  • Verankerung der Mistelentfernung in Ausschreibungen zur Baumpflege
  • Integration der Mistelentfernung in Förderprogramme (Zuwendungsbedingungen, fachliche Standards, gesonderte Förderprogramme)
  • Schaffung eines Förderprogramms zur Mistelentfernung bei extrem starkem Befall
  • Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten, inwiefern Flächeneigentümer:innen und -bewirtschafter:innen zur Mistelentfernung verpflichtet werden können
  • Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten, inwiefern Anrainer:innen gestattet werden kann, Misteln auf angrenzenden Flächen sachgemäß zu entfernen.

3. Gestaltung von Förderprogrammen für Alleen- und Baumreihen

Der Alleebestand kann nicht ohne finanzielle Förderung auf Landes- oder Bundesebene erhalten oder vergrößert werden, da die Kosten für Kommunen oder andere Landbesitzende zu hoch sind. Für die Bundesländer oder auf Bundesebene gibt es verschiedene Wege, Gelder für die Erhaltung und die Entwicklung von Alleen zur Verfügung zu stellen:

 

  • Bundesweite Förderprogramme, z. B. Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz
  • Integration von Alleen in landesspezifische Förderprogramme im Bereich Naturschutz, Straßenwesen oder Landwirtschaft (EU-Agrarförderung / ELER)
  • Finanzierung durch Ersatzgeldzahlungen aus allgemeinen Bauprojekten nach der naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsregelung, z. B. Hessen
  • Förderung durch Ersatzgeldzahlungen spezifisch aus dem Straßenbau, z. B. Alleefonds Mecklenburg-Vorpommern
  • Finanzierung über öffentlich-rechtliche Stiftungen, z. B. Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg, Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung

Unser Vorschlag: Förderprogramme für die Neuanlage oder Nachpflanzung von Alleen/Baumreihen müssen eine angemessene Finanzierung für die 5-jährige Etablierungspflege und den 20– bis 25-jährigen Erziehungsschnitt enthalten.

 

Alleebäume benötigen für ihre Etablierung idealerweise mind. 5 Jahre eine bewuchsfreie Baumscheibe, regelmäßige Bewässerung, ggf. eine Kompostgabe sowie über insgesamt 20–25 Jahre einen Erziehungsschnitt, um das geforderte Lichtraumprofil durch selektives Aufasten (siehe 3.4) zu entwickeln. Der Schnitt erfolgt, je nach Baumalter und Wuchsstärke, jährlich bis max. alle vier Jahre. In Obstalleen ist zudem eine Kronenerziehung durch einen jährlichen Erziehungsschnitt über ca. 15–20 Jahre notwendig. Findet diese Entwicklungspflege nicht statt, kann das Lichtraumprofil nicht im jungen Alter hergestellt werden und es wird im Laufe des Baumlebens zu der Entnahme von Ästen mit großem Wunddurchmesser kommen. Dadurch entstehen Wunden, die der Baum nicht mehr schließen kann und die somit das Baumleben stark verkürzen. Bei Obstbäumen bekommen diese ohne Schnitt statische Probleme mit resultierenden Astbrüchen und sterben früher ab.

 

Eine Förderung für Neupflanzungen sollte eine Finanzierung des Schnittes bis zum 20.–25. Standjahr vorsehen. Alternativ muss es im Anschluss an die Pflanzförderung eine Pflegeförderung (s. nächster Punkt) geben. Förderkulissen, welche nur die reinen Pflanzkosten und die Anwuchspflege in den ersten drei Jahren fördern, sind als ineffektiv abzulehnen. Das belegen die zahlreichen Pflanzungen, welche in den letzten Jahrzehnten durchgeführt wurden und an denen nun große Schnittwunden aufzufinden sind.

 

Die Förderhöhe sollte sich an den tatsächlichen Kosten orientieren. Dabei bedarf es für die Neuanlage vermutlich eine höhere Förderung, da hier zusätzliche Kosten (z. B. Grunderwerb) entstehen.

 

In Anlehnung an die GAP-Konditionalitäten-Verordnung (§ 23) und die sächsische Förderdefinition empfehlen wir, dass für die Förderung der Neuanlage, Wiederherstellung oder Pflege von Baumreihen und Alleen mindestens 5 Bäumen entlang einer Strecke von mindestens 50 Metern Länge gepflanzt oder gepflegt werden sollten, oder nach Wiederherstellung vorhanden sein sollten.

Im besten Fall sollte die Förderung für Neupflanzungen eine Finanzierung des Erziehungsschnittes bis zum 15. Standjahr vorsehen. Wenn dies nicht möglich ist, sollten mit der Pflanzung die Kosten für Entwicklungspflege und -schnitt mindestens für die Laufzeit einer durchschnittlichen Förderperiode von 5 Jahren finanziert werden. Um die Vitalität der Obstbäume sicherzustellen, ist der Übergang in eine anschließende fortlaufende Förderung für den Obstbaumschnitt unabdingbar und sollte daher mit einem möglichst geringen bürokratischen Aufwand möglich sein.

Unser Vorschlag: Förderprogramme für die Neuanlage oder Nachpflanzung von Alleen/Baumreihen müssen eine angemessene Finanzierung für die 5-jährige Etablierungspflege und den 20– bis 25-jährigen Erziehungsschnitt enthalten.

 

Viele bestehende Alleen verlieren durch Klimawandel, vernachlässigte Pflege oder Unfälle bestehende Bäume und werden lückig. Förderprogramme für Alleen und Baumreihen sollten daher die Nachpflanzung von Einzelbäumen ermöglichen. Die bestehende Vorgabe der ESAB 2006 erlaubt bei bestehenden Baumreihen die Nachpflanzung in der Flucht der alten Bäume, wenn die Baumlücke unter 100 m beträgt. Diese Vorgabe sollte unbedingt umgesetzt werden.

Auch die (innovative) Weiterentwicklung von bestehenden Alleen, z.B. Erweiterung in der Länge, Nachpflanzung mit klimaangepassten Baumarten, Zwischenpflanzungen mit kleineren Gehölzen etc. sollte in die Förderung integriert werden, um ihren Weiterbestand zu sichern.

Unser Vorschlag: Kommunen und Baulastträger:innen müssen eine kostendeckende Finanzierung für die fachgerechte Jungbaumerziehung (20 – 25 Jahre) und fortlaufende Baumpflege von bestehenden Alleen und Baumreihen erhalten.

 

Für den Erhalt bestehender Alleen braucht es eine flächendeckende Baumpflege-Förderung, damit Kommunen und Baulastträger:innen kontinuierliche, professionelle Baumpflege sicherstellen können.

Um das gewünschte Lichtraumprofil von z. B. 4,5 m an Straßen oder 2,5 m an Fahrradwegen zu erreichen, muss über diese Höhe hinaus (2,5–3,5 m über dem gewünschten Lichtraumprofil wegen Schleppenbildung) selektiv aufgeastet werden. Neben der Schaffung eines Lichtraumprofils ist es das Ziel des regelmäßigen Aufastens, eine durchgehenden Stammmitte/-verlängerung zu schaffen, an der sich gleichmäßig verteilte, gut ansitzende, untergeordnete Seitenäste befinden. Das Aufasten muss am Jungbaum beginnen, um später große Schnittwunden zu vermeiden. Dieser Erziehungsschnitt findet in den ersten 20–25 Jahren jährlich bis max. alle 4 Jahre statt (je häufiger, desto geringer die entnommene Blattmasse pro Schnittdurchgang, desto baumschonender). Das zeitliche Intervall ist abhängig von der Wuchsstärke und den daraus resultierenden Wundgrößen.

Die Pflegeförderung sollte die tatsächlichen Kosten widerspiegeln.

Unser Vorschlag: Wo aufgrund von Versäumnissen der Vergangenheit aufwendigere Pflegeschnitte erforderlich sind, müssen die Förderhöhe entsprechend höher ausfallen und die tatsächlichen Kosten widerspiegeln.

 

Viele Alleebäume sind in der Vergangenheit nicht hoch genug aufgeastet worden oder der Erziehungsschnitt wurde nicht rechtzeitig begonnen. Sie haben (zu) tief sitzende Äste, deren Entfernung zu große Wunden verursachen und den Baum schädigen würde. Zur Herstellung des erforderlichen Lichtraumprofils und zur Vermeidung künftiger Kollision mit Fahrzeugen muss hier ein sog. mehrstämmiges Aufasten durchgeführt werden, bei dem statt des einen, zu tief am Stamm sitzenden Astes die von ihm abgehenden Äste bis zur erforderlichen Höhe entfernt werden. Dieser Prozess ist aufwendiger als das Aufasten an nur einem Stamm. Die Schnittförderung sollte die tatsächlichen Kosten widerspiegeln.

Unser Vorschlag: Um die Vitalität von Stadtbäumen zu erhalten, sollte die Optimierung von mindergeeigneten Standorten gefördert werden.

 

Viele Stadtbäume sind auf ungeeigneten, nicht-gut-durchwurzelbaren Standorten gepflanzt worden. Die Pflanzgruben und Baumscheiben sind oft zu klein, was die Wasserversorgung einschränkt, den Baum in seiner Vitalität schwächt und Straßenschäden durch Wurzeln erzeugt. Zusätzlich sind Straßenbäume oft von Bodenverdichtung und Schadstoffen (z.B. Salz) beeinträchtigt. Anstatt betroffene Altbäumen zu fällen, können dort, wo es möglich ist, die Baumscheiben wurzelschonend vergrößert werden, eine Bodenlockerung oder Substrataustausch durchgeführt werden oder Versickerungsflächen für Niederschlagswasser um den Baum herum geschaffen werden (Stockholmer Baumpflanzsysteme, Mulden, Baum-Rigolen). Bei Pflege und Neuanpflanzung sollten die Empfehlungen von 3.5 beachtet werden. (Förder-)Ansätze dafür finden sich z. B. im Bremer Handlungskonzept Stadtbäume, im Zuschuss „Natürlicher Klimaschutz in Kommunen“ des ANK oder im „KfW-Umweltprogramm“ des ANK.

Unser Vorschlag: In Förderprogrammen zum Ausbau des Straßen- und Radwegenetzes sollte unbedingt auch die Anlage (inkl. Etablierungs- und Erziehungspflege und Grunderwerb) von Alleen / Baumreihen entlang der Straße / des Radwegs förderfähig sein.

 

Hintergrund: Der Neu- oder Umbau von Straßen und Radwegen bietet besonderes Potential, da die Anlage von Alleen / Baumreihen von Anfang an mitgedacht und klug geplant werden kann. In vielen Bundesländern wird aktuell das Radwegenetz ausgebaut. Bäume entlang von Radwegen bieten den Radfahrenden Schutz vor Wind und Sonne und können eine als angenehm empfundene Trennung zur Autostraße bewirken. Förderprogramme zum Straßen- /Radwegebau sollten auch den Grunderwerb für Baumpflanzungen fördern.

Unser Vorschlag: Traditionelle und innovative Wege des Flächenzugangs für die Neuanlage von Alleen- und Baumreihen sollten auf Landesebenen geprüft und gefördert werden.

 

Die Flächenverfügbarkeit ist für Neupflanzungen von Alleen ein (finanzielles) Hindernis, da „normaler“ Flächenerwerb für Kommunen aufwändig und kostenintensiv ist. Die Abstandsregelungen der RPS 2009 erschweren die Neu- und Nachpflanzung von Alleen.

 

Möglichkeiten, den Flächenzugang für neue Alleen und Baumreihen zu erleichtern sind:

 

  • Gestaltung der Förderung von Alleeneuanlagen: Hier sollte der Grunderwerb mitgefördert werden. Dies ist z.B. in NRW bereits möglich.
  • Im Rahmen von Flurneuordnungsverfahren, Flächenpoolverfahren oder im Straßenbau können Flächen für die Pflanzung von Alleen oder Baumreihen bereitgestellt werden. Diese Ansätze sollten von den Ministerien der Bundesländer diskutiert und ausgeschöpft werden, um damit indirekt zur Finanzierbarkeit neuer Allen und Baumreihen beizutragen.
  • Ökologische Vorrangfläche: Um den Alleebestand zu erhalten, ist eine Neupflanzung auf landwirtschaftlicher Fläche z. T. notwendig. Das Land Brandenburg hat daher eine Mustervereinbarung verabschiedet, die es der Straßenbauverwaltung erlaubt, Alleebäume auf den angrenzenden Flächen ohne Grunderwerb zu pflanzen, während die Landwirt:innen Alleen als Landschaftselement als Ökologische Vorrangfläche im Rahmen der Prämienberechnung mit einrechnen kann.
  • Alleen und Baumreihen als PIK-Maßnahmen oder Agroforst-Systeme: Weitere Möglichkeiten, Alleen zu etablieren, während die Fläche in der landwirtschaftlichen Nutzung bleibt, ist die Aufnahme von Gehölzstreifen an Straßen in die Maßnahmenkataloge zur Produktionsintegrierten Kompensation der Länder, bzw. die Pflanzung als Agroforst-Streifen. Diese Möglichkeiten sollten auf Länderebene rechtlich geprüft und in Pilotprojekten umgesetzt werden.
  • Bilanzierung im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen: Hier sollte der Flächenzugang berücksichtigt werden, siehe 4.3

Unser Vorschlag: Die Zusammenarbeit von mehreren Kommunen in der Neuanlage und langfristigen Pflege von Alleen und Baumreihen sollte ermöglicht und spezifisch gefördert werden.

 

Kommunale Träger, die für die Alleepflege und -pflanzung in einem bestimmten Bereich zuständig sind, könnten sinnvoll mit benachbarten Akteuren zusammenarbeiten. Auf diese Weise könnten Ressourcen im Bereich des Fuhrparks (Hubwagen, salzarmes Streufahrzeug) oder der Ausbildung und Nutzung von Personal geschaffen werden. So geschaffene Personalstellen kennen ihre Bäume und können effektiver und langfristiger arbeiten als dafür beauftragte Firmen.

 

Solche Kooperationen benachbarter Kommunen sollten auf Länder- oder Bundesebene mit höheren Fördersätzen gefördert werden.

4. Gestaltung von Kompensationsmaßnahmen

Auch im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen kann es zur Pflanzung von Alleen kommen. So gilt z. B. das Aufstellen von Windenergieanlagen als Eingriff in Natur und Landschaft. Alleeneupflanzungen können das Landschaftsbild wieder aufwerten.

Unser Vorschlag: Wenn Alleebäume gefällt werden, sollten Ersatzpflanzungen innerhalb von Alleen erfolgen, wobei bei Baumaßnahmen für jeden gefällten Baum mindestens drei neue Bäume gepflanzt werden sollten.

 

Da neu gepflanzte Bäume nicht den naturschutzfachlichen Wert eines Altbaums haben, wäre ein Ersatz im Verhältnis 1:1 für die Erhaltung des Wertes nicht ausreichend. Wenn Alleebäume gefällt werden, so sollten notwendige Ersatzpflanzungen wieder innerhalb bestehender Alleen oder als Allee-Neuanlage erfolgen, und in einem größeren Umfang vorzunehmen sein. Hier kann Mecklenburg-Vorpommern als Vorbild genannt werden: In diesem Bundesland müssen bei Baumaßnahmen für jeden in einer geschlossenen Allee gefällten Baum drei neue gepflanzt werden (einer als Alleebaum, zwei weitere können durch Einzahlung in den Alleenfonds kompensiert werden; bei Verkehrssicherung gilt ein Ersatz 1:1).

Unser Vorschlag: Ersatzgeld sollte vorrangig für Maßnahmen eingesetzt werden, für die es keine ausreichende Finanzierung gibt.

 

Bundesländer können Ersatzgelder, die über die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung bezogen werden, gezielt nutzen, um die Neuanlage von Alleen zu fördern. Dabei sollte Ersatzgeld vorrangig für Maßnahmen eingesetzt werden, für die es im jeweiligen Bundesland keine ausreichende Finanzierung gibt. Werden in einem Bundesland beispielsweise die Neuanlage und Jungbaumpflege von Alleen gefördert, nicht aber die Nachpflanzung oder Weiterentwicklung von älteren Beständen, so könnte dies über Ersatzgeld, z.B. an die Kommunen, gefördert werden. Selbstverständlich müssen die Maßnahmen zu einer naturschutzfachlichen Aufwertung beitragen. Auch für Maßnahmen mit Ersatzgeld sollten die genannten Fachstandards gelten.

Unser Vorschlag: Bei der Bilanzierung von Kompensationsmaßnahmen sollten Punkte für die Etablierungspflege und Jungbaumerziehung von Alleebäumen vergeben werden. Eine langfristige Anwachsgarantie sollte umgesetzt werden.

 

Bei der Neuanlage von Alleen oder Baumreihen als Ausgleichs- oder Kompensationsmaßnahme ist die Fläche mind. 30 Jahre für diesen Zweck festgelegt (bzw. für die Dauer des Eingriffs). Um einen naturschutzfachlich wertvollen Zustand mit vitalen Bäumen zu erreichen, braucht es über 20-25 Jahre einen Baumschnitt. Der Aufwand des Baumschnittes und der darüber geschaffene Wert muss mit bilanziert werden, um die Kosten hierfür zu decken. Bisher wird davon abweichend in den meisten Bundesländern nur eine kurzzeitige Anwuchspflege finanziert.

 

Vorbildhaft ist im Alleenerlass Mecklenburg-Vorpommerns festgelegt, dass der Straßenbaulastträger durch geeignete Pflegemaßnahmen sicherstellen muss, dass die gepflanzten Straßenbäume anwachsen und mindestens bis in das 20. Jahr vital und standsicher sind (Anwachsgarantie). Ist der Straßenbaum in dem Zeitraum trotzdem abgängig, wird er ohne Statistikrelevanz 1:1 ersetzt. Dafür wie auch für die zusätzlich erforderliche fachgerechte Aufastung müssen entsprechende Gelder eingeplant werden. Das sehen wir neben der Bestandserhaltung als einen wesentlichen Beitrag, um eine sachgerechte Jungbaumerziehung zu gewährleisten.

Unser Vorschlag: Bei Kompensationsmaßnahmen zur Neuanlage von Alleen und Baumreihen sollte der Flächenerwerb in die Bilanzierung einbezogen werden.

 

Ein häufiger Hinderungsgrund zur Neuanlage von Alleen und Baumreihen ist die Flächenverfügbarkeit. Im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen kann dem begegnet werden, indem der notwendige Flächenerwerb bei der Bilanzierung der Kompensationsmaßnahme berücksichtigt wird. Damit wird die kostendeckende Finanzierung der Maßnahme sichergestellt.

Unser Vorschlag: Um die Flächenbereitstellung durch Landwirt:innen attraktiv zu gestalten, sollten Baumreihen entlang von Straßen in die PiK-Maßnahmenkataloge der Länder aufgenommen werden.

 

Für die Bilanzierung der PiK-Maßnahme sollte der Verkehrswert der Fläche ebenso wie der jährliche Ertragsverlust mit einbezogen werden, da diese Fläche der landwirtschaftlichen Produktion nicht mehr zur Verfügung steht. Der angemessene Verpflichtungszeitraum von Baumreihen als PiK-Maßnahme sollte geprüft und in Konsultation mit Expert:innen und Praktiker:innen festgelegt werden.

5. Fachliche Standards und Kontrollen

Unser Vorschlag: In allen Förderprogrammen, Kompensationsrichtlinien und Ausschreibungen sollten fachliche Anforderungen an Planung, Pflanzware, Pflanzung und Pflege von Alleen und Baumreihen enthalten sein, die auch den zukünftigen Anforderungen im Klimawandel gerecht werden.

 

Hintergrund: Eine fachgemäße, klimawandelangepasste Planung, Pflanzung und Pflege sichert die Gesundheit, Langlebigkeit und den geringeren Kostenaufwand von Bäumen in Alleen und Baumreihen. Fachliche Standards geben den Bewilligungs- und Prüfstellen, sowie auch den Zuwendungsempfänger:innen, bzw. Auftragsnehmer:innen einen Orientierungsrahmen, um die Qualität der Maßnahmen zu sichern.

 

Für Kompensationsmaßnahmen im Bereich Alleen könnten diese Standards in Form einer Handreichung für Kompensationsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Diese könnte auch die weiteren Voraussetzungen beschreiben, die jede Kompensationsmaßnahme mit Alleebäumen erfüllen muss, wie die Zulassung der wirtschaftlichen Nutzung, die Sicherstellung der Pflege während des gesamten Verpflichtungszeitraums usw.

Unser Vorschlag: Als baumschonender und kosteneffizienter Ansatz zur Jungbaumerziehung von Straßenbäumen sollte flächendeckend das Modell des selektiven Aufastens, bzw. das Holländische Modell etabliert werden.

 

Ein Kernelement der fachlichen Standards ist eine professionelle Jungbaumerziehung, die die langfristige Baumentwicklung im Blick hat.

 

Viele Kommunen und Straßenbaulastträger investieren zu wenig in die Jungbaumpflege. Oft wird in ein bis zwei (verspäteten) Schnittvorgängen von unten nach oben aufgeastet, um möglichst schnell das erforderliche Lichtraumprofil zu erzielen. Zwiesel und obere Problemäste bleiben auf diese Weise lange bestehen. Teilweise werden Alleebäume nur zur Straßenseite hin aufgeastet, während die Ackerseite unbeachtet bleibt und Starkäste später eigenmächtig von dem:der Landwirt:in entfernt werden müssen.

 

Wer zu spät oder zu grob schneidet, riskiert großflächige Wunden. Der Baum schafft es nicht mehr, die Wunde zu verschließen. Pilze dringen ein, zersetzen das Holz und schwächen die Stabilität des Baumes. Die Lebenszeit des Baumes verkürzt sich drastisch, die Kosten für die Altbaumpflege und eine frühere Nachpflanzung steigen.

 

Wir empfehlen ein bewährtes Prinzip für gesunde, langlebige Bäume: das selektive Aufasten, auch bekannt als Holländisches Modell. Dieses Schnittmodell eignet sich besonders für Agroforst- und Straßenbäume. Dabei wird eine temporäre Krone Schritt für Schritt nach oben verlagert. Alle 1 – 4 Jahre wird der Stamm selektiv nach den Kriterien Wundgröße und Wundverhältnis aufgeastet. So werden spätere große Schnittwunden vermieden. Das Ergebnis ist ein gesunder, langlebiger Baum mit hoher Krone, stabilem Stamm und wertvollem Holz.

Unser Vorschlag: Als Bedingung für die Förderung oder Ausschreibungserhalt von Pflanzung und Pflege von Alleebäumen sollten Mindestqualifikationen verankert werden, um die Qualität und Sicherheit der Bäume sicherzustellen.

 

Ein Kernelement der fachlichen Standards ist eine professionelle Jungbaumerziehung, die die langfristige Baumentwicklung im Blick hat. Alle Personen, die Schnittmaßnahmen an Allee- und Straßenbäumen ausführen, sollten über die entsprechende Sachkunde verfügen. Entsprechend reicht es nicht aus, dass nur eine Person aus dem beauftragten Unternehmen den entsprechenden Sachkundenachweis besitzt.

Als Sachkundenachweise sollten Ausbildungen gelten, wenn sie in Theorie und Praxis den Schnitt von Alleebäumen nach dem Prinzip des selektiven Aufastens / Holländischen Modells behandeln. Dabei sollten in einem mindestens zweitägigen Kurs folgende Ausbildungsinhalte berücksichtigt werden:

 

  • Theorie: Baumarten, Baumphysiologie, Schnittzeitpunkt, Schnittführung, Wundversorgung, Wundbehandlung, Lichtraumprofil, Zielsetzung und Vorgehen des selektiven Aufastens
  • Praxis: Aufasten an Jungbäumen [Astbasisdurchmesser der betroffenen Äste < 5 cm], älteren Jungbäumen [Astbasisdurchmesser der betroffenen Äste > 5 cm, Mehrstämmigkeit noch abwendbar] und Bäume, die mehrstämmig aufgeastet werden müssen.

Laut unserem Kenntnisstand ist dies derzeit nur bei der Baumwart:innenausbildungen der Obstbaumschnittschule und Schule für Obstbaumpflege der Fall. Es gibt Seminare des BUND MV (Jungbaumpflegeseminare, 2-tägig, Theorie und Praxis), die die Kriterien für den Jungbaum erfüllen und in Ermangelung an anderen Angeboten ebenfalls zugelassen werden sollten. Zusätzlich sollte aus dem gleichen Grund auch eine Ausbildung zum European Tree Worker, European Tree Technician oder Fachagrarwirt:in Baumpflege anerkannt werden.

 

Bei Obstalleen sollte sich der Sachkundenachweis an Thüringen orientieren. Hier sind Streuobstfachwirt:in, Baumwart:in oder gleichwertige Ausbildungen mit ausreichend Praxisbezug (Schnittübungen) mit einem Ausbildungsumfang von mind. 150h anerkannt.

In beiden Fällen sollten Ausnahmen zugelassen sein: Für langjährig Aktive kann auch ohne Nachweis eine Qualifikation durch die Naturschutzverwaltung bestätigt werden, vorausgesetzt die Naturschutzverwaltung verbürgt sich dafür, dass die ausführende Person über einschlägige Sachkenntnisse und Referenzen in der professionellen Baumpflege verfügt. Die Naturschutzverwaltung muss vorher entsprechend geschult werden.

Unser Vorschlag: Die Mitarbeiter:innen der Naturschutz-, Straßenbau- und Kontrollbehörden, die mit Alleen befasst sind, sollten ½ – 1-tägige Schulungen zur fachgerechten Pflanzung und Pflege von Alleebäumen erhalten. Mitarbeitende der Kommunen, die selbst Baumpflegemaßnahmen umsetzen, sollten mindestens 2-tägige Schulungen in der fachgerechten, praktischen Baumpflege erhalten.

 

Hintergrund: Die Naturschutz-, Straßenbau- und Kontrollbehörden sind entscheidend für Genehmigungs- und Kontrollverfahren. Daher ist es dringend erforderlich, die entsprechenden Mitarbeiter:innen umfassend fachlich weiterzubilden. Sie sollten mit der zukunftsgerichteten Planung von Alleen, passender Baumartenwahl, mit der standortangepassten Pflanzung, Anwuchspflege und Jungbaumerziehung vertraut sein. Dazu gehören z. B. auch das Modell des selektiven Aufastens und die fachgerechte Wundbehandlung. Wer die Gefahren von unsachgemäßem Schnitt kennt, kann kompetent beraten, eine fachgerechte Pflege sicherstellen und die in Auftrag gegebene oder bezuschusste Schnittmaßnahmen überprüfen.

Viele Baumpflegemaßnahmen an Straßenbäumen werden direkt von kommunalen Mitarbeitendenen (z. B. Bauhöfe) oder Mitarbeitenden der Straßenbaulastträgern umgesetzt. Mitarbeitende, die Aufgaben der Baumpflege innehaben, sollten unbedingt in den in 5.2 genannten Themenfeldern geschult werden. Neben den genannten, umfassenden Ausbildungen eignen sich hierfür auch mehrtägige In-House Schulungen direkt in der Kommune, wie sie beispielsweise der BUND M-V organisiert.

Entsprechende Schulungen erfordern eine ausreichende Budgetierung, was sich langfristig durch einen effektiven Einsatz öffentlicher Mittel auszahlt.

Unser Vorschlag: Um eine fachgerechte Durchführung von Maßnahmen sicherzustellen, die mit öffentlichen Geldern finanziert oder gefördert werden, sind Kontrollen durch sachkundige Personen in einem größeren Umfang als bisher bzw. standardmäßig erforderlich. Die Auszahlung von Fördermitteln sollte an die fachliche Abnahme durch die zuständigen Behörden gebunden sein.

 

Hintergrund: Ein Blick in die Landschaft zeigt, dass Baumpflegemaßnahmen, vor allem in der Jungbaumerziehung, oft unsachgemäß ausgeführt werden, was zu schlechter Wundheilung und einer verkürzten Lebensdauer der Bäume führt. Bisher werden aus öffentlichen Geldern finanzierte oder geförderte Aufträge häufig nur stichprobenartig kontrolliert und/oder von fachlich unzureichend geschultem Personal kontrolliert. Um zu verhindern, dass öffentliche Gelder für Baumschädigungen ausgegeben werden, muss eine standardmäßige Kontrolle durch geschultes Fachpersonal nach jeder Maßnahme erfolgen. Die Auszahlung von Fördermitteln sollte an eine fachliche Abnahme durch die zuständigen Behörden gebunden sein, wofür ausreichend qualifiziertes Personal und entsprechende Mittel bereitgestellt werden müssen.

Handlungsempfehlung Alleen

Lesen Sie hier die Handlungsempfehlung mit Vorschlägen zur Ausgestaltung

 

 

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Stand: November 2025